Sachsen machte es einem falschen Juristen allzu leicht, Sächsische Zeitung, 10.07.2010
Ohne Staatsexamen jobbte ein Hesse eineinhalb Jahre als Volljurist in sächsischen Diensten, ohne dass jemand den Betrug bemerkte.
Von Thomas Schade
Christoph W. wäre heute noch Volljurist im Dienst des sächsischen Finanzministeriums, hätte er nicht im September 2008 auf den Wechsel zum Rechnungshof gepocht. Der Oberfinanzpräsident wollte den fleißigen, wortgewandten Mann gern behalten. Ungern ließ er die Personalakte für die Abordnung aktualisieren. Umso überraschter war man in der Personalabteilung, als aus Hessen bekannt wurde, dass von Regierungsrat Christoph W. in dessen Heimatland gar keine Referendarakte existiert. W. hatte seit 1990 in Gießen und Frankfurt studiert, im hessischen Justizdienst das Referendariat absolviert und ein Praktikum im dortigen Landtag absolviert – so steht es in seiner Vita.
Mit Kopien seines ersten und zweiten Staatsexamens hatte sich Christoph W. zu Jahresbeginn 2007 im Dresdner Landtag auf eine befristete Stelle beworben. Der Verwaltung reichte, dass die Urkunden von einem Präsidenten unterzeichnet und einem der Ortsgerichte in Langenbach beglaubigt waren. Auch W.s Wechsel nach Monaten ins Finanzministerium klappte reibungslos. Dort prüfte ein Assessmentcenter die Eignung für den Finanzdienst. Eloquent und mit korrekten Umgangsformen überzeugte W. die Damen und Herren und wurde als Regierungsrat im Finanzamt Leipzig angestellt.
Ein Jahr später stand fest: Christoph W. hatte nach 13 Jahren sein Jurastudium geschmissen und sich Ende 2006 das erste und zweite juristische Staatsexamen selbst ausgestellt–durch Totalfälschungen, wie er am Freitag vor dem Dresdner Amtsgericht reuevoll gestand.
Zwei Jahre Haft auf Bewährung
Dennoch war Amtsrichterin Annett Dönch enttäuscht. Einen Mann vom Schlage Gert Postels „mit schweren narzistischen Störungen“ habe sie erwartet. „Doch der typische Hochstapler sind Sie nicht“, so Richterin Dönch, nachdem sie den heute 41-Jährigen wegen Urkundenfälschung und Betrugs in zwei Fällen zu einem Jahr und zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt hatte. Sie hielt Christoph W. zugute, dass er glaubhaft berichtet habe, wie es zu den Taten kam, und dabei ist, den Schaden von 38000 Euro zu begleichen.
W. war als Einzelkind in einfachen Verhältnissen aufgewachsen–behütet von Eltern, die wollten, dass es ihr Junge einmal besser haben sollte. Mit dem Einser-Abi schienen die Voraussetzungen bestens. Doch während des Studiums sei seine Prüfungsangst von Jahr zu Jahr größer geworden. Während Kommilitonen ihr Examen bestanden, habe er die Abschlussprüfung von Jahr zu Jahr hinausgeschoben und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten.
Mit der Stelle in Dresden hoffte W., „etwas Dauerhaftes“ zu finden. Er habe verdrängt, dass seine Karriere auf einer Lüge basiert. Ihm half, dass er seinen Job „zur vollsten Zufriedenheit“ erledigte, wie ihm die Landtagsverwaltung bescheinigte. Als der Schwindel aufflog, verlor W. alles: Frau, Vater und Freunde. Medikamente lindern nun seine Depressionen. Mit 41 stehe er vor dem Nichts, so Richterin Dönch. Übel nahm sie ihm nur die 13,66, die er sich im ersten Examen selbst gegeben hatte. „Von 13 Punkten hat unsereins nur geträumt.“