Wegen Rechtsbeugung wird praktisch nie jemand verurteilt. Seit jeher wenden die Gerichte diese Strafnorm restriktiv an. Manchmal aber sehen sich selbst Richter am BGH gezwungen einzugreifen. Dies zeigt der Fall eines kürzlich freigesprochenen Proberichters. Ein Beitrag von Prof. Dr. Holm Putzke LL.M. , Dr. Christina Putzke (BGH, Beschl. v. 31.05.2012, Az. 2 StR 610/11)
Richter sind Machthaber. Das sieht die Verfassung so vor. Sie verfügen über Wertungsspielräume und unterliegen keinen Weisungen. Sie sind laut Art. 97 des Grundgesetzes (GG) unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Beugt ein Richter das Recht, missbraucht er nicht nur seine Macht, sondern schädigt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Solche Richter zu bestrafen, ist notwendig.
Was passieren muss, damit ein Richter eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung riskiert, zeigt der Fall des Landgerichts (LG) Kassel. In einem Verfahren wegen Exhibitionismus bestritt der Angeklagte die Vorwürfe. Den Richter – überzeugt von der Schuld des Angeklagten – versetzte dies in Rage. Er wirkte – wie in allen seinen Prozessen gewohnt – lautstark und mit harter Strafe drohend auf den Mann ein, um ein Geständnis und danach bei überraschend milder Strafe einen Rechtsmittelverzicht zu erlangen.
Der Angeklagte aber ließ sich nicht beeindrucken und blieb standhaft. Daraufhin holte der Richter einen Justizbeamten und ließ den Angeklagten in eine Gewahrsamszelle im Keller einsperren – mit den Worten: “Ich zeige Ihnen mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann.” Völlig verunsichert nach dieser Machtdemonstration, zeigte sich der widerspenstige Mann schließlich doch gefügig, legte ein Geständnis ab, willigte in eine Therapie ein und verzichtete auf Rechtsmittel. …