Gerichts-Affäre, sueddeutsche.de, Ermittlungen bestätigen: Bedienstete des Nürnberger Gerichts arbeiteten privat für Staatsanwälte und den Gerichtspräsident. 7. Oktober 2009
Vielleicht war das Klo verstopft, vielleicht tropfte auch nur der Wasserhahn. Der Präsident des Oberlandesgerichtes (OLG) Nürnberg war mit dem Problem jedenfalls überfordert. Ein Fachmann musste her. Wie günstig, wenn man Handwerker im Haus hat. Drei bis vier Mal, so fanden jetzt Sonderermittler heraus, habe ein Haustechniker des Nürnberger Justizpalastes in der Privatwohnung des OLG-Präsidenten Wolfgang S. “während der Dienstzeit unentgeltlich Installationsarbeiten durchgeführt”.
Jeweils etwa drei Stunden lang. Und weil der Gerichtspräsident überhaupt sehr sparsam war, habe er sich von Justizbediensteten während deren Dienstzeit fünfmal Installationsmaterial, eine Batterie und einmal Lackfarbe besorgen lassen. Bezahlt hat der OLG-Chef die Ware aus eigener Tasche; eingekauft wurde aber über die Dienststelle – denn die bekam bei den Händlern Sonderrabatte.
Über viele Jahre hinweg scheint bei Teilen des Führungspersonals im Nürnberger Justizpalast diese Art von Selbstbedienungsmentalität üblich gewesen zu sein. Wie selbstverständlich ließen sich zwischen 1978 und 1998 zwei OLG-Präsidenten und zwei Generalstaatsanwälte die Reifen ihrer Privatautos in der Dienstwerkstatt für Justizfahrzeuge von den dortigen Bediensteten wechseln. Mal in deren Mittagspause für ein Trinkgeld, häufig aber auch während der regulären Dienstzeit. Praktischerweise wurden die Sommer-und Winterreifen auch gleich im Werkstattkeller eingelagert. So sparte man sich Zeit und Geld.
Der zwischen 1987 und 1998 amtierende OLG-Chef Wolfgang S. schätzte den Installations- und Autoservice offenbar besonders. Er ließ seinen Privatwagen dem Vernehmen nach sogar vom Dienstfahrer in die Justizwerkstatt fahren. Und etwa 40 mal pro Jahr ließ er sich vom Chauffeur zu den wöchentlichen Treffen seines Rotary-Clubs kutschieren – im Dienstwagen. Also fast jede Woche. …
…Als rechtlich korrekt stuften die Sonderermittler die Praxis der Nürnberger Staatsanwaltschaft in Raubkopier-Fällen ein. Mehrfach hatte man Verfahren gegen viele hundert Abnehmer illegaler Raubkopien eingeleitet und sofort wieder eingestellt. Damit wurde die eigene Erfolgsstatistik um viele hundert scheinbar gelöste Fälle nach oben gejagt. Ein solches Vorgehen sei erst im Nachhinein landesweit untersagt worden, so Hödl und Vordermayer. Juristisch war es bis dahin korrekt.