Bewährungsstrafe für prügelnden Ex-Polizeichef, Wochenblatt, 27.11.2012
Als „unvorstellbaren Wut- und Gewaltausbruch” bezeichnete Vorsitzender Richter Erich Fuchs das Vorgehen des vom Dienst suspendierten Polizeichefs aus Rosenheim, Rudolf M. Wegen drei tateinheitlicher Fälle von vorsätzlicher Körperverletzung im Amt wurde der 51-Jährige am Dienstag zu einer Haftstrafe von elf Monaten verurteilt. Sie wurde drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
„Es ist schwierig herauszufinden, wo die Wahrheit liegt”, sagte Richter Fuchs eingangs. Die Gutachter hätten im Wesentlichen die Version des geschädigten 15-jährigen Schülers gestützt. Zudem habe ein Polizeibeamter aus Trostberg, der Zeuge des Vorfalls wurde, Anzeige erstattet. Inwieweit der Prozess weitere Konsequenzen für den derzeit vom Dienst suspendierten Beamten haben wird, muss in einem Disziplinarverfahren geklärt werden.
Der Tat vorausgegangen war eine Schlägerei, bei der der 15-Jährige zwei Unbeteiligte mutwillig verletzt hätte. Lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen. Das Abführen zur Wiesenwache durch Rudolf M. und einen Kollegen sei ein gerechtfertigter Polizeieinsatz gewesen. Als “rechtswidrige Ausschreitungen” bezeichnete das Gericht allerdings die von Rudolf M. beim Abführen eingeräumten Kniestöße und zwei Ohrfeigen, die dem jungen Mann noch zwei Tage später Schmerzen bereitet hatten.
Schüler in der Öffentlichkeit erniedrigt
Aufgrund der Gutachter-Expertisen, der Aussagen des Geschädigten und der involvierten Polizeibeamten sah das Gericht es als erwiesen an, dass Rudolf M. den Kopf des Geschädigten – entgegen seinen eigenen Angaben – mindestens zweimal gegen die Wand gestoßen hatte. Da der Schüler gefesselt gewesen sei, habe Rudolf M. in gravierender Weise die Ohnmacht und Schutzlosigkeit des Betroffenen ausgenutzt und diesen „in der Öffentlichkeit erniedrigt”.
Angesichts der Bagatelläußerungen eines betrunkenen, körperlich schmächtigen 15-Jährigen dürfe einem Polizisten ein derart „unvorstellbarer Wut- und Gewaltausbruch” nicht passieren. Noch dazu, wenn er als Vorgesetzter in herausgehobener Stellung eine Vorbildfunktion ausübe. Durch einen derartigen Machtmissbrauch werde auch das Vertrauen der Bürger in die Polizei erschüttert, erklärte Vorsitzender Richter Erich Fuchs.
Rudolf M.: „Es war kein Gewaltexzess. Meine Familie steht vor dem Abgrund”
Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer am Dienstagmittag eine Strafe von einem Jahr und neun Monaten gefordert. Rudolf M.s Verteidiger hatte sich für eine Bewährungsstrafe von acht Monaten ausgesprochen. Rudolf M. selbst hatte in seinem Schlusswort eingeräumt: „Ich bedauere die Verletzungen und habe meinen Teil der Verantwortung übernommen. Es war kein Gewaltexzess. Ich habe mich 30 Jahre für die Werte dieser Gesellschaft eingesetzt. Jetzt steht meine Familie vor dem existentiellen Abgrund.”
Dr. Martin Schulz, Gutachter für DNA- und Blutspuren am Tatort, hatte am zweiten Prozesstag vor Gericht ausgesagt, ein einmaliger und kurzer Kontakt des Geschädigten mit der Wand sei aus seiner Sicht nicht plausibel, weil damit die Blut-Speichel-Spuren und der von einem Zahn herrührende Defekt in der Wand nur schwer in Einklang zu bringen seien. Der Zahnarzt und Gutachter Dr. Kühnisch hatte sieben Einzelverletzungen festgestellt und leitete daraus ab, dass die Verletzungen „durch mindestens zwei verschiedene Ereignisse entstanden” sein müssten. Auch der sachverständige Biomechaniker unterstrich die mehrmalige Gewalteinwirkung.
Polizist: „Rudolf M. hat Grenzen überschritten.”
Am Dienstag dieser Woche sollten fünf kurzfristig geladene Zeugen nochmals Sicherheit darüber bringen, ob der Geschädigte einen Teil der Verletzungen vielleicht schon bei der vorangegangenen Schlägerei erlitten hatte. Die Zeugen bestätigten jedoch lediglich eine „Rangelei”. Der Dienstvorgesetzte, dem sich ein Polizist aus Trostberg nach dem Vorfall in Rosenheim anvertraut hatte, bestätigte, was der Kollege ihm seinerzeit gesagt hatte: „Rudolf M. hat Grenzen überschritten.”
In Absprache mit seinem Verteidiger erklärte sich der Angeklagte am Dienstag zudem zu einem Teilvergleich mit Zahlung von 6.000 Euro Schmerzensgeld bzw. Schadesnersatz bereit.