Ein Mandant sah sich auf Grund einiger – vorsichtig formuliert – emotional formulierter Beschwerden und Schriftstücke an die Bautzener Justiz mit fünf Anklagen wegen Beleidigung konfrontiert. Er wurde vom Amtsgericht Bautzen im Dezember 2009 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Sprungrevision verwarf das Oberlandesgericht Dresden im Oktober 2010 als unbegründet.
Erst der Sächsische Verfassungsgerichtshof hob mit Beschluss vom 25. Mai 2011 die beiden Urteile auf und verwies die Sache zu erneuter Verhandlung an das Amtsgericht Dresden (VerfGH Sachsen, 25.05.2011 – Vf. 100-IV-10). In ihrer Entscheidung stellten die Richter in aller Deutlichkeit klar, dass auch Richter und Beamte nicht vor jeder schroffen Kritik geschützt sind.
Gegen den von Herrn RA Andrej Klein verteidigten Mandanten wurde strafrechtlich ermittelt. Seine Wohnung wurde mehrfach durchsucht und Computertechnik beschlagnahmt. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Maßnahmen waren unbegründet. Da die lange Zeit beschlagnahmte Technik für die Berufsausübung der Ehefrau notwendig war und die Strafverfolgungsmaßnahmen Auswirkungen auf das Vertrauen der Kunden hatten, forderten die Ehegatten Entschädigung.
Nach Ablehnung dieser Forderung legte der Mandant Beschwerde und schließlich Anhörungsrüge ein, die ebenfalls beide verworfen wurden. Nun endgültig überzeugt, Opfer einer Verschwörung zu sein, legte er Dienstaufsichtsbeschwerde beim Präsidenten des Landgerichtes Bautzen ein. Die „kriminelle Vereinigung Lessingstraße 7“ wolle mit Lügen berechtigte Entschädigungsansprüche verhindern. Die Rechtsbeuger und Lügner der zuständigen Strafkammer würden dabei von ihren Kollegen aus der „Rechtsbeugermafia“ gedeckt.
Die Staatsanwaltschaft Bautzen erhob auf Grund der Bezeichnung dreier Richter als Rechtsbeuger und Lügner, die sich insbesondere der Beleidigung, Nötigung und Rechtsbeugung schuldig gemacht hätten, Anklage. Weitere folgten wegen der Bezeichnung zuständiger Staatsanwälte als Kriminelle, eines Kriminalhauptkommissars als Aussageerpresser und der Richter als Gewohnheitsverbrecher.
Nach dem Weg durch die Instanzen führte erst eine Verfassungsbeschwerde zum Sächsischen Verfassungsgerichtshof zum Erfolg und einer Aufhebung der vorangegangenen Entscheidungen. Das Urteil des Amtsgericht Bautzen und der Beschluss des OLG Dresden verletzte den Mandanten in seiner Meinungsfreiheit. Zudem sei das Willkürverbot verletzt. Das Amtsgericht habe nach Auffassung der Verfassungsrichter schon nicht klargestellt, welche der Formulierungen es überhaupt als beleidigend ansah. Ebenso wenig erläuterte es die konkrete ehrverletzende Wirkung der Aussagen oder wägte diese Wirkungen mit der grundrechtlich gesicherten Meinungsfreiheit des Mandanten ab. Diese sei aus dem Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen, sodass es nicht generell verboten sein könne, „einen Amtsträger in anklagender und personalisierter Form für die kritisierte Art der Machtausübung anzugreifen“. Die Meinungsfreiheit tritt regelmäßig nur in Fällen sog. Schmähkritik hinter dem Ehrschutz zurück.
Eine solche Schmähkritik habe das Amtsgericht jedoch zu Unrecht angenommen, weil die Äußerungen des Mandanten einen konkreten Sachbezug hatten und die Begleitumstände sowie der jeweilige Anlass der Schreiben „nicht aus der Luft gegriffen“ gewesen seien.
(Anm.: Wenn dem so ist, dann müssen die Kritiken ja gar nicht emotional formuliert gewesen sein, sondern sachlich korrekt. Die Verfolgung ihres Opfers wird die Staatsanwaltschaft und Richterschaft eher emotional gesteuert vorgenommen haben.)
Diese Entscheidung sollte nicht als Freibrief missverstanden werden, Richter und Staatsanwälte wahllos beschimpfen oder herabsetzen zu dürfen. Sie setzt jedoch ein klares Zeichen, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist und diesem Grundrecht nur in Ausnahmefällen und vor allem in gut begründeter Form Grenzen gesetzt werden dürfen.