Verfassungsbeschwerde Gustl Mollath gewinnt auch in Karlsruhe, faz.net, 05.09.2013
Ein weiterer juristischer Erfolg für Gustl Mollath: Sieben Jahre saß er zu Unrecht in der geschlossenen Psychiatrie. Nun ist er auf freiem Fuß und war nun auch mit seiner Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erfolgreich.
Es ist eine Watschn für die bayerische Justiz: Die Verfassungsbeschwerde des jahrelang gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachten Gustl Mollath war erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt.
Die Karlsruher Richter werfen ihren Kollegen in Bayern vor, ihre Würdigungen nicht eingehend genug abgefasst, sondern sich mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt zu haben. „Die in den Beschlüssen aufgeführten Gründe genügen nicht, um die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers zu rechtfertigen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.
Die Beschlüsse hätten Mollath in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Sache wurde deshalb zur abermaligen Entscheidung ans Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.
Mollath ist zwar inzwischen auf freiem Fuß. Dennoch sei die nachträgliche verfassungsrechtliche Überprüfung wichtig, erläuterte das Bundesverfassungsgericht – „denn diese waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in sein Grundrecht auf Freiheit der Person“. Womöglich hat die Entscheidung auch Einfluss auf die Höhe möglicher Schadenersatzansprüche.
Mollath war 2006 nach von ihm bestrittenen Angriffen auf seine frühere Frau in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. In dem Verfahren hatte er auch über Schwarzgeldgeschäfte seiner bei der Hypo-Vereinsbank als Bankberaterin arbeitenden Frau in Millionenhöhe berichtet, was das Gericht als paranoid bewertete. Inzwischen steht fest, dass die Aussagen im Kern stimmten.
2011 hatte dann das Landgericht Bayreuth die Verlängerung der Unterbringung mit der Begründung angeordnet, es sei zu erwarten, dass Mollath in Freiheit weitere Straftaten begehen werde. Das Oberlandesgericht Bamberg schloss sich dieser Einschätzung an.
Nach Mollaths erfolgreicher Verfassungsbeschwerde hat die Landtags-Opposition Justizministern Beate Merk (CSU) scharf angegriffen. SPD, Freie Wähler und Grüne sprachen am Donnerstag von einer „schallenden Ohrfeige“ oder „Klatsche“ für die Ministerin. „Die Staatsanwaltschaft hat mit Wissen der vorgesetzten Justizministerin immer wieder die Fortdauer der Unterbringung beantragt und Herrn Mollath als gefährlichen Irren abgestempelt. Damit hat Beate Merk sogar gegen die Verfassung verstoßen. Sie hat die Freiheitsrechte eines Bürgers mit Füßen getreten“, kritisierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Inge Aures. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hätte ihrer Ansicht nach die Ministerin längst entlassen müssen.
Florian Streibl (Freie Wähler) sagte: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine Klatsche für die bayerische Justizministerin. Es rückt den Skandal in Bayern wieder zurecht, aber es ist traurig, dass es eines Karlsruher Urteils dazu bedurfte.“ Grünen-Fraktionschef Martin Runge sagte: „Das ist eine Ohrfeige für bayerische Gerichte und Staatsanwaltschaften und eine Schande für die Ministerin.“ Mollath sei in seinen Grundrechten verletzt worden.
Auch Mollaths Anwalt Michael Kleine-Cosack übte harte Kritik an Ministerin Merk und der Justiz in Bayern. Die Richter hätten Mollath mit „unverantwortlicher Leichtfertigkeit“ in der Psychiatrie untergebracht und trotz neuer Erkenntnisse mit „stupendem Starrsinn an ihren Fehlentscheidungen festgehalten“. Der Beschluss aus Karlsruhe sei auch eine „Ohrfeige“ für Merk. Sie habe zu lange an den unhaltbaren Unterbringungsentscheidungen festgehalten. „Sie hatte verfassungsblind, inhuman und „hasenherzig“ die neuen Erkenntnisse und Menschenrechtsverstöße der bayerischen Justiz ignoriert“, sagte Kleine-Cosack.
Das Justizministerium bewertete die Entscheidung des Verfassungsgerichts als Beweis für das Funktionieren des Rechtsstaats und verwies auf die anstehende Reform des Unterbringungsrechts. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erläuterte mit Blick auf den Status quo: „Das Risiko, zu lange zu Unrecht in der psychiatrischen Unterbringung zu landen, ist zu hoch.“