“Ich sitze seit sechs Jahren unschuldig im Gefängnis”, Kleine Zeitung, 24.10.2012
Grazerin brachte ihren Stiefvater wegen Vergewaltigung ins Gefängnis. Obwohl sie ihre Anschuldigungen widerrufen hat, gibt es keine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Schweißperlen auf der Stirn, glasige Augen, die Hände gefaltet, ein starrer Blick: Hanjörg Bugelnig (50) ist gezeichnet von sechs Jahren Gefängnis. Immer wieder bleibt ihm die Stimme weg, wenn er über seinen Fall spricht. “Das Delikt, es ist das Delikt, das mir so zu schaffen macht”, stammelt er. “Ich bin ein verurteilter Kinderschänder, das Schlimmste, was es gibt. Niemals habe ich meiner Stieftochter etwas angetan, niemals.”
Seine Stieftochter Michelle M. hatte ihn im Herbst 2006 durch ihre schweren Anschuldigungen ins Gefängnis gebracht. Zu acht Jahren Haft verurteilt, sitzt er derzeit in Garsten, Oberösterreich, und hofft auf seine bedingte Entlassung, denn sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vom Gericht abgewiesen, obwohl die Stieftochter alle Anschuldigungen zurückgezogen hat.
“Es gibt eine eidesstattliche Erklärung von Michelle, es gibt ihre Aussage auf Video – aber das interessiert das Gericht nicht. Ich bin schuldig, obwohl ich unschuldig bin”, sagt der 50-jährige Grazer, der erstmals Hafturlaub bekommen hat. “Fünf Tage durfte ich zu meiner Familie nach Graz.”
Hansjörg Bugelnig war der Justiz schon vor seiner Verurteilung wegen Vergewaltigung, Unzucht mit Unmündigen, schweren sexuellen Missbrauchs und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses kein Unbekannter. “Ich war Einbrecher, der zur Dämmerungszeit Villen ausgeräumt hat”, erinnert er sich an die Vergangenheit. Aber damit habe ich vor 15 Jahren aufgehört. Zu diesen Taten bekenne ich mich, aber die letzte Verurteilung ist ein Justizirrtum. Das Gericht hat nichts zugelassen, was zu meinen Gunsten gewesen wäre.”
Er sei wütend und enttäuscht zugleich, dass so ein Urteil in Österreich überhaupt möglich sei. “Es gab keine Beweise, nur die Anschuldigungen von Michelle – und die hat sie inzwischen zurückgezogen, aber sie kann ja nicht mehr persönlich befragt werden. Sie ist kurz nach ihrer Aussage gestorben. Und mich lassen sie im Gefängnis dunsten.”
Bis April 2012 musste er in der Strafanstalt nichts befürchten. “Ich habe mich als Einbrecher ausgegeben. Aber dann haben die Mitgefangenen erfahren, warum ich wirklich sitze. Sie haben mit einem Bauchstich und anderen Gewaltmaßnahmen gedroht. Kinderschänder gehen im Gefängnis durch die Hölle. Seither bin ich in Schutzhaft.”
Seit Monaten wird Hansjörg Bugelnig psychologisch betreut. Auf seinen Betreuer baut Bugelnig. “Er hat erkannt, dass ich unschuldig bin.” Das will Psychotherapeut Werner Mikota so nicht bestätigen. “Ich weiß nicht, ob der Mann unschuldig ist oder nicht. Aber ich arbeite seit 14 Jahren als Psychotherapeut und habe Sensorien entwickelt um Lügner herauszufiltern. Für Bugelnig schlägt nichts an. Die Justiz soll endlich ihre Augenbinden herunterziehen.”