Sie wisse nicht, ob sie sich selbst jemals begutachten lassen würde, hat Gutachterin Hanna Ziegert in einer Talkshow erklärt. Die Staatsanwaltschaft München will die Sachverständige daraufhin kaltstellen – doch die Gerichte lehnen die Anträge harsch ab.
Der Versuch der Staatsanwaltschaft München I, die Psychiaterin Hanna Ziegert als Gutachterin bei Gericht kaltzustellen, ist auf ganzer Linie gescheitert. Sowohl beim Landgericht München als auch beim Landgericht Augsburg wurden Anträge der Münchner Staatsanwaltschaft, Ziegert wegen Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Die Begründungen der beiden Gerichte lesen sich streckenweise wie eine Nachhilfestunde in Staatsbürgerkunde. …
Hinsichtlich der Praxis des Maßregelvollzugs sagte Ziegert, diese sei, ihrem Eindruck nach, “in Bayern vielleicht doch etwas anders als in anderen Teilen Deutschlands. Ich habe manchmal das Gefühl, es geht um Mailand und Sizilien, und Bayern wäre dann Sizilien”.
Diese Äußerungen hatte die Staatsanwaltschaft München I zum Anlass genommen, Ziegert in mehreren Verfahren, in denen sie vom Gericht als Sachverständige beauftragt worden war, wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Ziegerts Aussagen ließen “ernsthaft daran zweifeln, ob es der Sachverständigen aufgrund ihrer inneren Grundhaltung zur bayerischen bzw. deutschen Justiz ” möglich sei, Gutachten unparteiisch zu erstatten, schrieb die Staatsanwaltschaft. …
Der Amtsrichter Andreas Krug, der sich für die Strafvollstreckungskammer in Nördlingen mit dem Ansinnen der Münchner Staatsanwaltschaft beschäftigen musste, hatte offensichtlich erhebliche Mühe, die Sinnhaftigkeit des Antrags zu verstehen. “Aus dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft München I wird nicht klar, wem gegenüber die Sachverständige voreingenommen sein soll”, schreibt er. Gegenüber der Justiz? Das könne nicht sein, denn die Justiz trete in ganz verschiedenen Rollen auf – als Staatsanwaltschaft, Gericht, Verteidigung – und zumindest das Gericht in Nördlingen und auch die dortige Staatsanwaltschaft hegten keinerlei Befürchtungen hinsichtlich der Unvorgenommenheit der Sachverständigen Ziegert. …
Wenn aber ein Ablehnungsantrag sich auf Äußerungen stütze, die in Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gemacht wurden, dann, so der Richter, sollten diese Zitate wenigstens vollständig wiedergegeben und nicht “mit einer möglicherweise ergebnisorientierten Eigeninterpretation eines Zitats begründet werden”. …