Justiz-Irrtum: 15 Jahre in der Psychiatrie, Ostseezeitung, 07.11.2017
MV hat jetzt offenbar einen Justiz-Skandal vom Kaliber des Bayern Gustl Mollath, der viele Jahre ungerechtfertigt in einer Psychiatrischen Klinik saß. Michael S. (43), ein Mann aus dem Raum Stralsund, war über 15 Jahre in einer Forensischen Klinik weggesperrt – zu Unrecht, wie das Oberlandesgericht (OLG) Rostock jetzt feststellte. Psychiatrische Gutachten seien über Jahre falsch gewesen.
Im Juli 2001 verurteilte das Landgericht Stralsund Michael S. zu fünf Jahren Haft. Es sah es als erwiesen an, dass der Mann Kinder sexuell missbraucht hatte. S. wäre nach Verbüßung der Strafe also 2006 wieder frei gewesen, möglicherweise früher. Doch es kam anders: Auf der Basis eines psychiatrischen Gutachtens landete der Verurteilte wegen Schuldunfähigkeit in der Psychiatrie – und blieb bis 2017. Möglich durch Paragraf 63 des Strafgesetzbuches. S. habe „eine schon länger bestehende Persönlichkeitsstörung in Form von Schizoidie und Pädophilie“, eine „schwere seelische Abartigkeit“ – so zitiert das OLG den Gutachter in einem aktuellen Beschluss. Das oberste Gericht des Landes setzte Michael S. in diesem Jahr wieder auf freien Fuß (Aktenzeichen: 20 Ws 173/16). Es stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung S.s in der Psychiatrie „nicht vorliegen“ und „auch zum Zeitpunkt der Verurteilung nicht wissenschaftlich begründbar vorgelegen haben“.
…Konsequenzen wird die Fehldiagnose der Psychiater, die zu jahrelangem Freiheitsentzug führte, womöglich nicht haben. Das Justizministerium verweist auf die Unabhängigkeit von Gerichten bei der Auswahl psychiatrischer Gutachter.