“Zwölf Stämme”: Staatsanwalt ermittelt gegen RTL-Reporter, 31.01.2014
Einem Journalisten gelangen einmalige Aufnahmen, wie die “Zwölf Stämme” ihre Kinder züchtigten. Doch jetzt hat plötzlich er den Ärger. Sogar der Staatsanwalt ermittelt. Von Holger Sabinsky-Wolf
Die Filmaufnahmen des RTL-Reporters Wolfram Kuhnigk ermöglichten, dass das Jugendamt im September vergangenen Jahres der Sekte „Zwölf Stämme“ wegen Prügelvorwürfen die Kinder wegnehmen konnte. Kuhnigk hatte Züchtigungen dokumentiert. Jetzt hat er Ärger mit der Justiz.
Gegen den Journalisten läuft wegen der heimlichen Aufnahmen ein Ermittlungsverfahren wegen „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“. Dies bestätigte der Pressesprecher der Augsburger Staatsanwaltschaft, Matthias Nickolai. Ursprung des Verfahrens ist eine Anzeige gegen den Reporter, die aber laut Nickolai „nicht aus den Reihen der Zwölf Stämme“ stamme. Heimliche Film- und Tonaufnahmen sind verboten und nach Paragraf 201 des Strafgesetzbuchs mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu ahnden. Das Verfahren ist laut Staatsanwaltschaft „weit fortgeschritten“.
Reporter Kuhnigk, ein Profi auf dem Gebiet der Undercover-Recherche, wusste nach eigenen Angaben, dass ihm ein Verfahren drohen kann. „Ich habe das aber in Kauf genommen“, sagte er gegenüber unserer Zeitung. Ihm sei es um das Wohl der Kinder gegangen.
Kuhnigk hatte sich im Sommer 2013 zwei Wochen lang bei der Sekte in Klosterzimmern (Kreis Donau-Ries) eingeschleust und Züchtigungen der Kinder mittels Ruten dokumentiert. Das Filmmaterial übergab er den Behörden. Kuhnigk sagt: „Ohne meine Aufnahmen hätte das Jugendamt nicht aktiv werden können. Ich sehe jegliche moralische Rechtfertigung auf meiner Seite.“
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„Die Wiedergabe und Verwertung von Telefongesprächen, die von Dritten mitgeschnitten wurden, ist schlechthin unzulässig, soweit der Inhalt dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, der sogenannten Intimsphäre, zugeordnet werden muss. Gesprächsteile, die nicht dem Kernbereich privater Sphäre angehören, können verwertet werden, wenn die Interessen der Allgemeinheit im Verhältnis zu den grundrechtlich geschützten Belangen der Gesprächspartner so überwiegen, dass eine Verwertung der Tonbandaufnahmen als zulässig anzusehen ist.“
– Oberlandesgericht Hamm XI ZR 93/09, Urteil vom 9. März 2010, Az. I ZR 326/91.
„Das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist im allgemeinen unzulässig. Es verletzt das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners. Auf diese Weise erlangte Beweismittel dürfen nicht verwertet werden. Wer jemanden mithören lassen will, hat seinen Gesprächspartner vorher darüber zu informieren. Dieser ist nicht gehalten, sich seinerseits vorsorglich zu vergewissern, daß niemand mithört. Art. 6 I Europäische Menschenrechtskonvention gebietet nicht die Vernehmung des heimlich mithörenden Zeugen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Partei, die ihn hat mithören lassen, keinen gewichtigen Grund dafür hatte, dieses heimlich zu tun.““
– Bundesarbeitsgericht, Revisionsurteil vom 29. Oktober 1997, Az. 5 AZR 508/96
Zeitschriftenfundstellen: BAGE 87, 31; NJW 1998, 1331; MDR 1998, 421; BB 1998, 431; DB 1998, 371; NZA 1998, 307
„a) „Zu dem von Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG – u.a. – geschützten Recht am gesprochenen Wort gehört auch die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. b) Der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort hängt weder davon ab, ob es sich bei den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte oder gar um besonders persönlichkeitssensible Daten handelt, noch kommt es auf die Vereinbarung einer besonderen Vertraulichkeit des Gesprächs an. c) Allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reicht nicht aus, um die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der anderen Prozeßpartei zu rechtfertigen. d) Stellt die Vernehmung eines Zeugen über ein von ihm belauschtes Telefonat einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Gesprächspartners dar, kommt eine Verwertung der Aussage als Beweismittel im zivilgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht.“
– Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Februar 2003, Az. XI ZR 165/02. NJW 2003, 1727