Die Bundesrepublik Deutschland wird dieses Jahr 70 Jahre alt. Die Zukunftsfähigkeit und das Überleben dieses in die Jahre gekommenen Staates und seiner Strukturen werden maßgeblich auch von der staatstragenden Säule der Justiz abhängen. Es ist deshalb an der Zeit über einige marode und faule Stellen an dieser Säule zu sprechen, die schon seit der Errichtung des Staates bestehen; über eine Mentalität, die zunächst vielen Günstlingen aus dem Beamtenapparat des Nazi-Reichs Schutz vor Verfolgung im Nachfolgestaat bot und bis in die heutige Zeit gefestigt wurde: Rechtsbeugung nach § 339 StGB bleibt ungestraft. Während Bürger über eine Vielzahl von Rechtsbrüchen der Justiz berichten können, ist es auf der anderen Seite ein offenes Geheimnis, dass die Justiz nicht gegen sich selbst vorgeht. Sie hat Hürden und Mittel entwickelt, um Recht ohne Sorge vor Verfolgung nach ihrem Willen zu beugen.
Der Staat und seine Vertreter verlangen zwar von den Bürgern, dass sie sich bedingungslos der Rechtsordnung unterwerfen, also ihnen selbst gegenüber, sehen sich jedoch gleichzeitig als übergeordnete Rechtsträger im Gemeinwesen, für die scheinbar nicht die gleichen Spielregeln zu gelten haben. Der Bürger, als untergeordneter Pflichtenträger und als Einzelstehender gegenüber einer mächtigen Behörde, soll hingegen, nachdem er durch viele und langsam mahlende Räder zermürbt wurde, schweigen und sich fügen. Tun also auch wir Bürger das Gegenteil und dokumentieren stattdessen diese Fälle und ihre Mittel – zum Selbstschutz und dem Schutz der Gemeinschaft. Beginnen wir mit einem beliebten Mittel der Rechtsbeugung im Zivilprozess, für das einige Richter, wie der Berliner Michael Reinke, bereit sind, fast alles zu tun, weil es ihnen so viel Arbeit erspart: dem Vergleich.
Bevor ein konkretes Beispiel erörtert wird, ist es wichtig zu verstehen, warum die Veröffentlichung von Rechtsbrüchen durch Amtsträger eine Notwendigkeit für den Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts ist. Einer der Gründe für die Offenlegung ist, dass Gerichtsverhandlungen dem Gesetz nach zwar grundsätzlich öffentlich sind (§ 169 I 1 GVG)1, aber eine Öffentlichkeit nur in den seltensten Fällen anwesend ist. Es gibt also kein Publikum, wie etwa auf einem römischen Forum oder germanischen Thing,2 das dem Richter als Kontrollorgan zusieht und zuhört, sondern es findet de facto ein Verfahren in einer erweiterten Amtsstube hinter verschlossenen Türen wie im Mittelalter statt. Die Rechtsprechung des jetzigen Staates ist insofern rückschrittlicher als jene vor 2000 Jahren in selber Region ohne ein festes Staatswesen. Anwesend sind regelmäßig lediglich der Richter, Kläger und Beklagte sowie mögliche Vertreter dieser Parteien. Und Aufnahmen zum Zwecke der Veröffentlichung sind grundsätzlich nicht zugelassen (§ 169 I 2 GVG). Wo aber keine öffentliche Kontrolle wacht, da besteht auch kein Anreiz, sich an Recht und Gesetz zu halten. Es besteht also ein Spielraum, um im Verborgenen Dinge zu tun, die nicht gestattet sind. Deshalb setzen auch § 547 Nr. 5 ZPO, § 338 Nr. 6 StPO und § 138 Nr. 5 VwGO absolute Revisionsgründe für einen unrechtmäßigen Ausschluss der Öffentlichkeit fest. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Richter bei quasi-nichtöffentlichen Verhandlungen unrechtmäßig vorgeht, sich parteiisch verhält oder eine für sich opportune Lösung einschlägt, ist wesentlich größer als bei einer tatsächlich öffentlichen Verhandlung.3 Das Bewusstsein, dass darüber berichtet werden kann, schränkt hingegen diesen richterlichen Spielraum ein. Während über die Politik (Legislative) weitestgehend das öffentliche Auge medial wacht, besteht in den anderen beiden Säulen des Staates, der Verwaltung und Justiz, ein enormer Nachholbedarf.
Ein anderer Grund für die Veröffentlichung von Richterversagen ist die Zersetzung des Rechtsstaates, also des Gemeinwesens, durch solche Einzeltäter, denen diese verantwortungsvolle Aufgabe mit weitreichenden Machtbefugnissen mittelbar von den Bürgern überlassen wurde. Sie verstoßen nicht nur gegen zweitrangige Gesetze, sondern gegen den verfassungsrechtlichen Kern des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Art. 20 III GG formuliert unmissverständlich: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Auch Art. 79 I GG wiederholt: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“ Wenn sich nun jedoch Richter nicht mehr an das Rechtsstaatsprinzip halten und nur noch unabhängige, uneingeschränkte Herrscher im Gerichtssaal sein wollen, dann kann das Bauwerk namens Staat, dessen dritte Säule abseits seines Daches stehen möchte, auch völlig eingerissen werden. Es stellt sich schließlich die Frage, warum sich überhaupt noch jemand an die Gesetze halten soll, wenn es nicht einmal die Vertreter einer tragenden Gewalt des Staates selbst tun. Dabei leisten Richer gemäß § 38 I DRiG eigentlich einen Eid auf das Grundgesetz: „Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.“
Als dritter Grund ist anzuführen, dass der Schutz vor staatlichen Repressionen nur von den Bürgern selbst ausgehen kann, oder umgekehrt formuliert: der Staat hat kein Interesse daran, gegen sich selbst vorzugehen. Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.4 Wo kein staatliches Fehlverhalten gerügt wird, wird davon ausgegangen, dass es auch keines gibt. Wenn die Geltendmachung von Rechten oder die öffentliche Rüge von Rechtsbrüchen nicht als Bürgerpflicht gegenüber der Schicksalsgemeinschaft, also zum Schutze aller, verstanden wird, so zumindest als Bürgerrecht jedes einzelnen zu seinem eigenen Schutz. Die Veröffentlichung weist den Staat auf einen Fehler im System hin und andere Bürger leitfadenartig auf eine Möglichkeit, wie man sich zur Wehr setzen kann. Sie bietet damit beiden Seiten Schutz vor Extremisten – vor modernen Reichsbürgern oder neuen Freislers, die keine bindenden Gesetze für ihre Handlungen anerkennen. Der einfache Bürger muss hierbei vor allem verstehen, dass der Gegenpol zur richterlichen Überheblichkeit oder Dummheit nicht dieselbe Grobgeistigkeit, sondern nur ein kühles und kluges Gegenverhalten sein kann – so schwer das auch in jener Situation erscheinen mag. Für die Justiz gilt hingegen, dass das Nichtvorgehen gegen das Übel aus den eigenen Reihen dazu führt, dass sich der Frust in der Bevölkerung weiter aufstaut und am Ende daraus die Zuweisung einer Kollektivschuld entsteht – die Justiz entzieht sich selbst das Vertrauen. Es gibt schließlich derzeit keine Sondergewalt zur Überprüfung der rechtsprechenden Gewalt.5 Das Grundgesetz setzt insofern auf die Selbstreinigung der Justiz – was natürlich naiv ist und im historischen Rückblick regelmäßig übel endet.6 Damit genießt die Justiz jedenfalls im Vergleich zu den anderen beiden Gewalten einen mehr als großzügigen, konstitutionell verankerten Vertrauensvorschuss. Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine Anerkennung, sondern um einen verfassungsrechtlichen Auftrag. Die Rechtshistorie der Bundesrepublik Deutschland liefert indes, insbesondere in der Gegenüberstellung zu den gleichzeitig geschaffenen Justizirrtümern, vergleichsweise wenige Fälle, in denen dieser Auftrag, etwa durch die Anwendung des § 339 StGB, erfüllt worden wäre. Es scheint, als gelte für alle im Land der Grundsatz der Fehlbarkeit unter dem Schwert der Strafgesetze, mit Ausnahme Ihrer absolutistischen Majestäten, der Vertreter der Justiz, über die niemand steht außer sie selbst und für die deshalb anscheinend der Grundsatz the king can do no wrong7 gilt. …