Die ZEIT schreibt: „Bürger, die gegen Polizeibeamte vorgehen, haben in Deutschland immer schlechte Karten. Polizisten, die im Dienst gewalttätig geworden sind und Menschen verletzt oder getötet haben, müssen statistisch gesehen nicht ernsthaft vor einer Strafverfolgung Angst haben.”
In der Nacht vom 22./23. April 2009 wurde ich in der Düsseldorfer Altstadtwache zum Opfer von Freiheitsberaubung und unverhältnismäßiger Polizeigewalt. Ich wurde gewaltsam entkleidet, u. a. von Männern, und stundenlang nackt eingesperrt. Mir wurde gewaltsam eine Blutprobe entnommen, ohne richterlichen Beschluss oder ohne nur den Versuch zu unternehmen, die Staatsanwaltschaft zu erreichen. Mir wurde zudem stundenlang der Kontakt zu einem Rechtsanwalt verwehrt. Ich habe massive Verletzungen am gesamten Körper davongetragen: u.a. ausgeschlagene Zähne, Kieferfraktur, Gehirnerschütterung, Blutergüsse durch Schläge mit Schlagstöcken oder Tritte und benötigte 1,5 Jahre für die ärztliche Behandlung; die psychologische Betreuung dauerte noch länger.
Der Fall wurde 2011 durch einen Beitrag des WDR-Magazins Westpol öffentlich bekannt, nachdem sich die Staatsanwaltschaft geweigert hatte, die Täter, mich oder die von mir genannten Zeugen zu befragen und den Fall stattdessen wegen angeblicher Verfristung schloss. Zuletzt berichtete darüber auch DIE ZEIT.
Um das Verfahren erneut aufleben zu lassen, habe ich auf eigene Kosten ein rechtsmedizinisches Gutachten zu meinen Verletzungen beauftragt und damit der Staatsanwaltschaft neue Beweise vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft weigert sich aber nach wie vor, diesen Fall zu untersuchen. Gegen diese Entscheidung habe ich erneut Beschwerde eingelegt.
Da mir von Seiten der Ermittlungsbehörden seit inzwischen über 4 Jahren eine juristische/gerichtliche Klärung verweigert wird, fordere ich die Landesregierung NRW, namentlich Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, auf, eine ständige Kommission für Fälle von mutmaßlich unverhältnismäßiger Polizeigewalt zu bilden, die sich zunächst mit meinem Fall im Speziellen und später mit weiteren ähnlichen Fällen in NRW parlamentarisch auseinandersetzt.
DENN ICH BIN NICHT DIE EINZIGE BETROFFENE IN NRW!
Die Politik muss zu einer wirksamen Kontrolle der Polizei zurückfinden und darf nicht länger die Diskussion mit den Polizeigewerkschaften scheuen. Die Ursachen für polizeiliche Übergriffe müssen analysiert und die Ergebnisse Bestandteil der polizeilichen Aus- und Weiterbildung werden. Die Polizei muss lernen, eigenes Fehlverhalten als Möglichkeit zur Verbesserung der eigenen Arbeit und nicht als Bedrohung zu begreifen. Das Entstehen einer polizeilichen Fehlerkultur soll von der Politik begleitet werden, um organisationsinterne Widerstände zu überwinden.
Neben der Untersuchung der Fälle unverhältnismäßiger Polizeigewalt in NRW fordere ich von der Kommission folgende Punkte:
1) Ausarbeitung eines Vorschlags zur Schaffung einer unabhängigen Beschwerde- und Untersuchungsbehörde in NRW für Fälle mutmaßlich unverhältnismäßiger Polizeigewalt, ausgestattet mit umfangreichen Befugnissen, die denen von parlamentarischen Untersuchungskommissionen gleichen. Anschließende Umsetzung des Vorschlags durch die Landesregierung.
2) Überprüfung der Videoüberwachung in Polizeidienststellen sowie der diesbezüglichen juristischen Gegebenheiten in NRW mit dem Ziel, die notwendige Gesetzeslage und Verordnungen zur Videoaufzeichnung zum Schutz von Inhaftierten in Polizeiwachen zu erlassen und durchzuführen. Die Vorgänge im Gewahrsamsbereich von Polizeistationen müssen auf Video aufgezeichnet werden. Dies hat selbstverständlich unter neutraler Aufsicht zu erfolgen, wobei ein Zugriff nur durch einen richterlichen Beschluss möglich sein sollte.
3) Ausarbeitung eines Vorschlags zur Modifizierung der Polizeiausbildung in NRW inkl. einer zweijährig stattfindenden, verpflichtenden Wissensaktualisierung zum Thema Menschenrechte sowie der Aufnahme eines 6-monatigen Praktikums als Zulassungsvoraussetzung zum Polizei-Studium in NRW (ersatzweise einer Ausbildung) in sozial- bzw. menschenrechtlich ausgerichteten Institutionen/Organisationen, z.B. Bahnhofsmissionen, Drogenhäuser, Obdachlosenunterkünfte, Notaufnahmen der Krankenhäuser, psychiatrische Kliniken etc. Anschließende Umsetzung des Vorschlags durch die Landesregierung.
4) Ausarbeitung eines Vorschlags zur Veränderung der gesetzlichen Grundlage des Legalitätsprinzips, in dem Polizistinnen und Polizisten 48 Stunden Zeit nach dem Eintreten unverhältnismäßiger Polizeigewalt eingeräumt wird, um den Vorfall anzuzeigen, ohne sich direkt strafbar zu machen, sowie anschließende Vorstellung dieses Vorschlags in der Innenministerkonferenz.
Bildnachweis:
Die eingebundenen Verletzungsbilder sind Screenshots der WDR-Sendung WESTPOL vom 3. Juli 2011 mit dem Titel “Gewaltvorwürfe gegen Polizei” und werden wie Zitate verwendet.
Der eingebundene Artikelausschnitt ist Screenshot des ZEIT-Artikels “Hinterher ist es immer Notwehr” und wird wie ein Zitat verwendet.