Als Jugendliche wurden zwei Frauen in ein Bordell verschleppt. Ein Jurist sei ihr Kunde gewesen, sagen sie. Nun stehen sie wegen Verleumdung vor Gericht..
Wenn die Justiz in Sachsen schon vor 20 Jahren gründlicher ermittelt hätte, wäre ihr dieser absurde Prozess erspart geblieben. Dann müsste Mandy Kopp nicht wegen Verleumdung auf der Anklagebank sitzen. Und Jürgen Niemeyer müsste sich nicht gegen den Vorwurf verteidigen, junge Mädchen im Bordell missbraucht zu haben. Diese ganze aberwitzige Geschichte um den angeblichen Sachsensumpf hätte es dann wohl nie gegeben.
Das Jasmin flog Ende Januar 1993 auf, Kopp und die anderen Mädchen kamen frei. Der Zuhälter wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Es ist eine milde Strafe. Der Vorsitzende Richter in diesem Prozess war Jürgen Niemeyer. Niemeyer soll also zugleich Kunde im Bordell und Richter des Zuhälters gewesen sein. So stellt es Kopp heute dar – viele Jahre später. Dieser Vorwurf ist so ungeheuerlich, dass man sich fragen muss, warum sie ihn nicht schon damals während des Prozesses oder kurz danach enttarnt hat. Eine wirklich plausible Erklärung gibt es dafür bis heute nicht.
…Irgendwann in den letzten Monaten muss sie sich entschlossen haben, in die Offensive zu gehen und ihre Version publik zu machen. Sie will als Opfer betrachtet werden und nicht als Täterin. Gestern kritisierte sie ausdrücklich, dass die Staatsanwaltschaft sie in der Anklageschrift „Prostituierte“ nennt. Sie sei zur Prostitution gezwungen worden. Diese Bezeichnung sei daher herabwürdigend für sie und die anderen Betroffenen. „Dagegen stellen wir uns.“ Was ihre Erwartung an diesen Prozess sei, wird sie gefragt. „Ein Freispruch“, antwortet sie.
Während Mandy Kopp in die Mikrofone spricht, packt Jürgen Niemeyer seine Akten in die Tasche und verschwindet wortlos. Er ist Nebenkläger in diesem Verfahren und sitzt neben dem Staatsanwalt. Auch der sieht reichlich bedient aus. In einer Verhandlungspause beteuert Niemeyer, dass es ihm egal sei, welche Strafe die beiden Frauen bekämen. „Ich möchte nur, dass öffentlich klargestellt wird, dass ich nie Kunde im Jasmin war.“ Das Land Sachsen hat ihm nach zähen Verhandlungen eine Entschädigung in Höhe von 7.500 Euro dafür zugesprochen, dass der Verfassungsschutz Akten mit obskuren Behauptungen zweifelhafter Quellen angelegt hat und diese an die Öffentlichkeit gelangt waren. „Diese Geschichte hat mich fertiggemacht.“
Die Staatsanwaltschaft Dresden steckt mit ihrer Anklage in der Defensive. Gegen ein Vergewaltigungsopfer wirken ihre Vorwürfe fast unmenschlich. Wenn eine Zeugin bei ihrer Aussage falsch liege, dürfe das nicht zu einer Anklage wegen Verleumdung führen, sagen Kritiker. Schließlich durfte sie die Aussage nicht verweigern.
Staatsanwalt Christian Kohle las die Anklage vor, doch das war es dann auch schon wieder. Die Frage, wer lügt und wer die Wahrheit sagt, stand gestern wieder nicht auf der Tagesordnung. …Ein Deal ist offensichtlich nicht zustande gekommen. Jetzt muss Richter Dietz Zeugen laden und Prozesstermine ansetzen. Das klappe aber erst im Oktober, weil zwischendurch Sommerferien sind, sagte er.