Verdacht der Falschaussage: Fotograf bringt mit seinen Aufnahmen Polizisten in Bedrängnis, Berliner Zeitung, 08.09.2020
…Stähle war fünf Wochen krank geschrieben. Er erlitt Verletzungen am Hals und am Arm. Seine Kamera ging zu Bruch, doch die Speicherkarte blieb intakt. …Die Beamten hatten dafür gesorgt, dass Stähle Mitte August vor Gericht erscheinen musste.
Doch der Fotograf war nicht als Opfer geladen, sondern als Täter. Er soll den Polizeieinsatz behindert und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet haben. Stähle habe die Absperrung durchbrochen und anschließend den Polizisten mit dem Objektiv angestoßen. Daraufhin habe sich der Beamte umgedreht, woraufhin Stähle ins Straucheln geriet und dann von alleine stürzte. Diese Aussage bestätigte ein Kollege vor Gericht. „Die wollten meine Verurteilung erzwingen“, sagte Stähle der Berliner Zeitung. Video überführt würgenden Polizisten
Doch der Schwindel flog auf, weil Stähles Anwalt Sebastian Wendt später im Prozess eine Aufzeichnung aus der Videokamera des Fotografen präsentierte….Der Fotograf röchelt und bekommt keine Luft. Mindestens drei andere Polizisten eilen dazu. Doch niemand greift ein oder beruhigt den Kollegen.
Stähle wollte das Bildmaterial nicht vorher zeigen, weil er die Möglichkeit in Betracht zog, dass die Polizisten ihre Aussagen anhand des Videos ändern oder anpassen könnten. „Wir wollten den Behörden die Möglichkeit geben, ganz objektiv zu ermitteln“, erklärte Julian Stähle auf Anfrage.Als die Bilder im Gericht gezeigt wurden, soll bei den Polizisten sofort die Stimmung gekippt sein, berichteten Zeugen. Als Stähles Anwalt daraufhin kritische Fragen stellte, brach der Beamte, der seinen Kollegen gedeckt hatte, im Zeugenstand zusammen. Der Polizist musste mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Der Fotograf wurde freigesprochen.
Gegen die beiden Polizisten wird nun wegen des Verdachts der Falschaussage ermittelt.
„Gegen sie wurde außerdem ein Disziplinarverfahren eingeleitet“
…Die Staatsanwaltschaft sichtet nun das Video und prüft, ob eine Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt vorliegt. Nach Angaben von Stähles Anwalt sollen noch weitere Straftatbestände wie Nötigung, Verfolgung Unschuldiger sowie falsche Verdächtigung hinzukommen. Weil die Polizisten anfangs keinen Rettungswagen für den verletzten 26-Jährigen rufen wollten, käme unterlassene Hilfeleistung dazu, so der Anwalt. …