Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler, “Gedanken zur Rechtsbeugung”, NStZ 1996, Heft 2, Seite 67
…In der veröffentlichen Rechtsprechung finden sich relativ viele Urteile gegen Volljuristen, denen die Unkenntnis oder das Unverständnis des geltenden Rechts attestiert wurde (BGHSt 10, 294, 300; BGH bei Holtz MDR 1978, 626.), so daß man geneigt sein mag, die Juristenausbildung in Frage zu stellen.
Allerdings gibt es eine große Fallgruppe, bei der diese Probleme hinsichtlich des objektiven und subjektiven Tatbestandes keine solche Rolle spielen. Aber auch hier kommt es so gut wie nie zu Anklagen wegen Rechtsbeugung, obwohl Beispielsfälle bis in die höchstrichterliche Judikatur zu finden sind: Es ist die Fallgruppe der absichtlichen und eindeutigen Korrektur des Gesetzgebers.
Denn die Formel von der Vertretbarkeit (gar noch infolge Vertretenwerdens) könnte hier durch das Kriterium der Grenzen der richterlichen Rechtsgewinnung präzisiert werden: Akzeptiert man, daß im Geltungsbereich von Art. 103 II GG „der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation markiert“, so liegt in diesem Bereich eine objektive Beugung des Rechts bei jeder Rechtsfindung praeter oder gar contra legem vor; ansonsten jedenfalls dann, wenn Normtext und gesetzgeberischer Regelungszweck klar mißachtet werden und keine der hier nicht näher zu erörternden diskutierten Ausnahmen vorliegt. Allgemein gesprochen: Jede unzulässige richterliche
Rechtsfortbildung ist objektiv Rechtsbeugung! Folgt man dem, bereiten die übrigen objektiven Tatbestandsmerkmale des § 336 StGB kaum noch Schwierigkeiten. Der Vorsatz läßt sich zumeist schon mit den Urteilsgründen belegen; er wird auch nicht dadurch
ausgeschlossen, daß der Richter meint, „das Richtige zu tun“. – Verschiedene Varianten können hier unterschieden werden, wobei die als Beispiele herangezogenen Entscheidungen in dieser Pauschalität nur als der Grenzüberschreitung verdächtig eingestuft werden sollen: …
Justizfreund erklärt dazu:
Wenn man demgemäss die Juristenausbildung in Frage stellen muss, dann muss man auch geneigt sein diesen Richtern die Fähigkeit zum Richteramt in Frage zu stellen.