Das Risiko, dass Anwälte ihnen anvertrautes Geld veruntreuen, ist real. Denn mancher greift ungeniert zu – die Gründe dafür sind vielfältig. Für die Opfer ist das Geld meist endgültig weg.
…Geraten Anwälte in finanzielle Not, ist der Zugriff auf solche Konten verführerisch leicht, weil sie über die Gelder ihrer Mandanten frei verfügen können. Wird dann so ein ungetreuer Advokat vor über fünf Millionen “Aktenzeichen XY”-Zuschauern wie ein Schwerverbrecher gesucht, schmerzt das die Anwaltschaft – bislang jedoch ohne Folgen. Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein haben die Verletzung der anwaltlichen Kernpflicht, mit Mandantengeld sorgsam umzugehen, bisher bagatellisiert.
Typisch die Einerseits-andererseits-Eierei des Präsidenten der Thüringer Rechtsanwaltskammer, Michael Burmann: Seinem Satz, dies sei “ein ernsthaftes Problem und nicht zu vernachlässigen”, folgt auf dem Fuße die Relativierung: alles nur “schwarze Schafe”, “Einzelfälle”. Die Anwaltschaft sieht bisher keinen Handlungsbedarf.
Die Geschädigten sehen es anders: Die sind Unfallopfer, deren Schadensersatzleistungen von Versicherungen plötzlich weg sind. Erben, die um Hunderttausende betrogen wurden. Betreute, deren Notfallreserve sich in Luft aufgelöst hat. Das Schlimme: Ihr Geld ist meist endgültig verloren. Vermögensschäden, die durch Veruntreuung von Mandantengeldern entstehen, sind nämlich von der beruflichen Haftpflichtversicherung der Anwälte nicht gedeckt.
…Erstens gehört unkorrekter Umgang mit Fremdgeldern bei den Rechtsanwaltskammern München, Hamburg und Sachsen zu den häufigsten Beschwerdegründen von Mandanten. In München pendelte die Zahl der Beschwerden von 2012 bis 2014 zwischen 27 und 50, in Dresden im selben Zeitraum zwischen 34 und 54. Hamburgs Oberstaatsanwalt Peter Bunners, bei der Generalstaatsanwaltschaft zuständig für anwaltliche Berufsrechtsverstöße, schätzt, dass ein “Drittel aller berufsrechtlichen Verfahren mit Fremdgeld zusammenhängen”.
…Und da sogar rechtskräftig wegen Untreue verurteilte Anwälte fast nie aus der Anwaltschaft ausgeschlossen werden, fragt es sich, ob Mandanten besser vor solchen Zugriffen geschützt werden müssen.
…Solange die Anwaltschaft den immensen Ansehensverlust bei Veruntreuung von Fremdgeldern ignoriert, sollten die Mandanten zur Selbsthilfe greifen: nur noch dann Geld über Geschäfts- oder Anderkonten ihrer Anwälte leiten, wenn es unvermeidbar ist.