Prozesskostenhilfebeschwerde und Befangenheitsbeschwerde ist im Visier der Länder, Handelsblatt
Versagt das Gericht die Prozesskostenhilfe (PKH), soll es künftig gegen diese Entscheidung keinerlei Rechtsmittel mehr geben. Das geht aus einer Beschlussvorlage des federführenden baden-württembergischen Justizministers Ulrich Goll (FDP) für die Justizministerkonferenz im Juni hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.
Die Länderjustizminister hatten im vergangenen Oktober beschlossen, die Justiz einer umfassenden Generalüberholung zu unterziehen. Geplant ist unter anderem, das Rechtsmittelsystem deutlich zurückzuschneiden: Im Prinzip soll es künftig nur noch eine Instanz geben, die die Tatsachen ermittelt. In der Rechtsmittelinstanz wird dann nur noch geprüft, ob das Eingangsgericht bei der Rechtsanwendung Fehler gemacht hat.
Von einer Beschneidung der Prozesskostenhilfe war dabei bisher nicht die Rede. Eine solche kann beantragen, wer sich den für eine Klage nötigen Gerichtskostenvorschuss nicht leisten kann. Für sozial Schwächere ist dies oft die einzige Möglichkeit, Rechtsschutz zu erlangen. Das Gericht, das für die Klage selbst zuständig ist, prüft dann die Bedürftigkeit und die Erfolgsaussichten der Klage. Nach dem Goll-Papier sind die „nach dem geltenden Prozessrecht noch eröffneten Beschwerdemöglichkeiten“ gegen ablehnende Bescheide des Gerichts „ganz auszuschließen“ …
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kündigt heftigen Widerstand an, sollte sich Goll mit dieser Forderung durchsetzen. „Das werden wir niemals akzeptieren“, sagte BRAK-Vizepräsident Ulrich Scharf dem Handelsblatt. „Das führt zu Zweiklassenjustiz.“ Ein Rechtsmittel gegen negative PKH-Entscheidungen sei schon deshalb zwingend nötig, weil es „viele wurstige erste Instanzen“ gebe, „die das erstmal ablehnen“. In Großbritannien, wo es keine funktionierende Prozesskostenhilfe mehr gibt, könne man die Folgen studieren: Dort müsse man als sozial Schwächerer „auf seine Forderung verzichten oder einen Knüppel nehmen“.
Auch beim Deutschen Richterbund (DRB) sieht man Golls Vorstoß mit großer Skepsis: „Es kommt nicht ganz selten vor, dass das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten einer Klage anders einschätzt als die erste Instanz“, sagt DRB-Präsidiumsmitglied Lothar Jünemann.
Geplant ist nach dem Goll-Papier, auch die Beschwerde gegen die Feststellung des Streitwerts auszuschließen. Von der Höhe des festgesetzten Streitwerts hängen die Gerichts- und vielfach auch die Anwaltskosten ab. Auch Entscheidungen über die Ablehnung eines Richters wegen angeblicher Befangenheit sollen dem Papier zufolge künftig unanfechtbar sein. Befangenheitsanträge sind vor allem im Strafprozess ein beliebtes Mittel für Strafverteidiger, den Prozess in die Länge zu ziehen. Mit dem Rechtsmittelausschluss würden sich die Justizminister allerdings ein Risiko einhandeln: Ist die Ablehnung fehlerhaft, dann kann dies in der nächsten Instanz dazu führen, dass der ganze Prozess neu aufgerollt werden muss. …