Beweisrecht-Anforderungen-an-den-Nachweis-einer-Protokollfaelschung
Wird eine Protokollfälschung behauptet, dürfen selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Darlegungslast die Anforderungen an die Prozesspartei insoweit nicht überspannt werden. Denn die Partei, die in aller Regel keinen hinreichenden Einblick in die internen Geschäftsabläufe des Gerichts und die Arbeitsweise des Richters hat, ist in derartigen Fällen durchweg auf bloße Indizien für den objektiven Tatbestand und auf Schlussfolgerungen für dessen subjektive Seite angewiesen (BGH 20.2.08, XII ZB 116/07).
In einem gerichtlichen Protokoll der mündlichen Verhandlung war vermerkt, dass eine Entscheidung zum Versorgungsausgleich am Schluss der Sitzung ergehe. Die Entscheidung ist dem Beklagten erst 15 Monate später zugestellt worden. Hiergegen wendet er sich. Auf den Hinweis der Verfristung seines Rechtsmittels zog er die Richtigkeit des übersandten gerichtlichen Protokolls in Zweifel und beantragte Akteneinsicht. Während der Verhandlung sei weder ein konkreter Verkündungstermin benannt worden noch ein Hinweis darauf erfolgt, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergehen werde. Wenn das Gericht „die Verkündung einer Entscheidung am Schluss der Sitzung beabsichtigt hätte und dies auch tatsächlich erfolgt wäre“, stelle sich die Frage, aus welchen Gründen die Zustellung erst nach 15 Monaten erfolgt sei. Das OLG hat die Beschwerde, den diesbezüglichen hilfsweisen Wiedereinsetzungsantrag sowie einen PKH-Antrag als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die nach § 621e Abs. 3 S. 2i.V.m. § 522 Abs. 1 ZPO kraft Gesetzes zulässige Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beachtung der für die Verhandlung – einschließlich der Verkündung (§ 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO) – vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig (§ 165 ZPO). Diese hat der Antragsteller behauptet. Mit der weiteren Behauptung, die verspätete Zustellung des Beschlusses sei nicht erklärbar, wenn der Beschluss schon am 4.5.05 verkündet worden wäre, zieht der Antragsteller zugleich die Verkündung selbst und somit die diese dokumentierende Aussage des Protokolls in Zweifel. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Darlegungslast hinsichtlich einer behaupteten Protokollfälschung die Anforderungen an die Prozesspartei nicht überspannt werden dürfen (BGH NJW 85, 1782; BGH-Report 04, 979).
Die Tatsachen sind hinreichend substanziiert, um die Beweiskraft des Protokolls, nach dessen Inhalt der angefochtene Beschluss am 4.5.05 verkündet wurde, ernsthaft in Zweifel zu ziehen: Nach dem Vermerk des Geschäftsstellenbeamten sind sowohl das Protokoll „vom 4.5.05“ als auch der angefochtene Beschluss erst am 27.7.06, also annähernd 15 Monate nach dem Verhandlungstermin, zur Geschäftsstelle gelangt. Dafür spricht auch die Foliierung des Sonderhefts, nach der mehrere Anfragen der Bevollmächtigten der AG bezüglich der ausstehenden Entscheidung und der Kostenabrechnung aus der Zeit vom 20.7.05 bis zum 3.4.06 vor dem Protokoll und dem Beschluss des AG abgeheftet sind. Gleiches gilt für einen Rentenbescheid vom 27.7.05, den die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 12.8.05 nachgereicht hatte. Auch die Verfügung des Richters zur Zustellung des angefochtenen Beschlusses datiert erst vom 27.7.06 und befindet sich auf der Rückseite einer erneuten Anfrage der Verfahrensbevollmächtigten der AG, die erst am 20.6.06 beim AG eingegangen war.
Schon dieser zeitliche Ablauf spricht dafür, dass der Beschluss deutlich später abgesetzt wurde und am 4.5.05 jedenfalls keine vollständig abgesetzte Entscheidung verkündet worden ist. Denn wenn die Entscheidung schon in diesem Zeitpunkt abgesetzt gewesen wäre, hätte nichts näher gelegen, als sie – spätestens auf die ausdrücklichen Nachfragen der Antragsgegnervertreterin – an die Parteien und die Verfahrensbeteiligten zuzustellen.
Bei den Akten befindet sich auch kein isolierter Beschlusstenor, obwohl der Wortlaut des Protokolls auf die Verkündung eines „anliegenden“ Beschlusses hinweist. Soweit die Rechtsbeschwerde aber darauf hinweist, dass die Verkündung einer noch nicht vollständig abgesetzten Entscheidung im Hinblick auf die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs und die Berechnung des konkret durchzuführenden Ausgleichs eher fern liegt, ist hier zu berücksichtigen, dass die Entscheidung annähernd inhaltsgleich mit der – vom OLG aufgehobenen – früheren Entscheidung zum Versorgungsausgleich in dem Verbundurteil vom 19.1.04 ist.
Danach spricht viel dafür, dass seinerzeit auch kein isoliert vorliegender Beschlusstenor verkündet wurde und das Protokoll deswegen insoweit falsch i.S.d. § 165 ZPO ist. Gegen eine Verkündung des Beschlusses am 4.5.05 spricht schließlich, dass sich sowohl auf dem Original als auch auf den an die Parteien versandten Ausfertigungen des Beschlusses keine Verkündungsvermerke befinden. Der aus den Akten ersichtliche zeitliche Ablauf legt es somit nahe, dass die Entscheidung erst auf die erneute Anfrage der Antragsgegnervertreterin vom 19.6.06 abgesetzt und mit der richterlichen Verfügung vom 27.7.06 zur Geschäftsstelle gelangt ist.
Das OLG hätte deswegen dem unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Protokollfälschung i.S.d. § 165 S. 2 ZPO nachgehen müssen. Selbst wenn diese nicht schon anhand des Akteninhalts hinreichend nachgewiesen ist, hätte es jedenfalls die vom Antragsteller gegen eine Verkündung des Beschlusses benannten Zeugen, nämlich den Abteilungsrichter, den Geschäftsstellenbeamten und die für das Protokoll zuständige Schreibkraft, zu der behaupteten Fälschung des Protokolls vernehmen müssen.
Landläufig wird davon ausgegangen, dass Rechtsmittelfristen erst mit der Zustellung der Entscheidung zu laufen beginnen. Diese Auffassung ist unzutreffend. Vielfach beginnt die Rechtsmittelfrist ungeachtet einer Zustellung jedenfalls fünf Monate nach der – dem Betroffenen grundsätzlich bekannten – Verkündung der Entscheidung. Dies gilt insbesondere auch für die Berufungsfrist nach § 517 ZPO und die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO, wenn etwa ein Stuhlurteil verkündet wird. Wie der BGH hervorhebt, wird der Umstand der Verkündung einer Entscheidung nach § 160 Abs. 3 Nr. 7i.V.m. § 165 ZPO durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung bzw. der Verkündung geführt.
War der Umstand der Verkündung der Entscheidung der Partei nicht bekannt, beginnt mit der Bekanntgabe der Verkündung die Frist zur Wiedereinsetzung. Diese scheitert aber am vorliegenden Verschulden, wenn die Partei mit einer Verkündung der Entscheidung rechnen musste und die Fünf-Monatsfrist nicht überwacht wurde. Da eine Entscheidung, die nicht binnen fünf Monaten unterschrieben zur Geschäftsstelle gelangt, zugleich an einem absoluten Revisionsgrund nach § 547 Abs. 1 Nr. 6 ZPO leidet (BGH MDR 04, 1194), sollte der Anwalt eine solche Frist nach jeder mündlichen Verhandlung nebst Vorfrist eintragen lassen.