Spenden aus der Justizkasse: Korrupte Richter mit Spendierroben! (Recht)
Die Idee zu dem Artikel „Die Spendierroben“ entstand bei einem Treffen mit dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam. Beiläufig erzählte er von einer Liste beim Brandenburger Oberlandesgericht (OLG). Darin ist nachzulesen, welche gemeinnützigen Vereine in den vergangenen Jahren Bußgelder erhalten haben, die in gerichtlichen Strafverfahren verhängt worden waren.
Das Interessante daran: Richter können jeweils frei entscheiden, welchem Verein sie wieviel zukommen lassen. Da liegt der Verdacht nahe, dass sich manche Richter und Staatsanwälte (Letztere haben ein Vorschlagsrecht) in ihrer Entscheidung von persönlichen Interessen leiten lassen.
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Der Bericht “Die Spendierroben”
Manche Juristen verteilen Bußgeldeinnahmen großzügig an einzelne Vereine
Die deutschen Richter und Staatsanwälte entscheiden über die Verteilung von Spenden an gemeinnützige Vereine völlig autonom. Dabei sind sie besonders korruptionsgefährdet, meinen Experten. Ein Blick auf die Empfänger schürt den Verdacht.
Wenn Kinder gegen das Gesetz verstoßen, regnet es für die Freunde vom „Astronomischen Zentrum Bernau“ mitunter reichlich Taler. Der Förderverein der Sternwarte erhielt zwischen 2001 und 2007 großzügige Spenden von Richtern. In den meisten Fällen handelte es sich um Geldauflagen, die im Rahmen von Jugendstrafverfahren verhängt wurden.
Der „größte Teil“ der insgesamt 37 200 Euro, die nach Angaben des Oberlandesgerichtes (OLG) an die Hobby-Astronomen flossen, stammt laut Steffen Weimann, der den Verein vertritt, vom örtlichen Amtsgericht. Für das Geld sei unter anderem ein 12 000 Euro teures Teleskop gekauft worden, eine „Technik, die sich sehen lassen kann“.
An solche Fördergelder zu gelangen ist normalerweise schwierig. Das OLG führt eine Liste mit 2300 Vereinen, die vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt wurden und die sich beworben hatten. Im vergangenen Jahr gab es 173 Neuanträge. Etliche von ihnen gingen leer aus, obwohl viele der 164 letztjährigen Empfänger schon öfter berücksichtigt worden waren. Die Sternengucker aus Bernau kamen laut Weimann deshalb in den Genuss der finanziellen Unterstützung, weil er als Rechtsanwalt um die Fördermöglichkeit weiß und gute Kontakte zu Richtern unterhält. Diese seien selbst vor Ort gewesen.
…Auffällig an der Empfängerliste ist, dass bei den Zuweisungen oft gegen ein Prinzip verstoßen wird. Im Gesetzestext heißt es, zwischen der Straftat und der gemeinnützigen Tätigkeit sollte ein Zusammenhang bestehen. So ist angedacht, dass bei Drogendelikten und Taten unter Alkoholeinfluss Suchtberatungsstellen begünstigt werden, bei Verkehrssündern die Verkehrswacht.
Allerdings ist solch ein Bezug oft nicht zu erkennen. In Brandenburg ging ein großes Stück des Kuchens an Schulen und Kitas, Sportclubs, Tierschützer, Theater, Kirchen, die Kaufmännische Krankenkasse Berlin, diverse Parkeisenbahnen und den Marktführer bei Zigarettenautomaten. Die Kita „Kunterbunt“ in Calau bekam laut OLG voriges Jahr 10 100 Euro. Verglichen damit sind die 18 640 Euro für die Opferhilfe Brandenburg, die wohl eher förderwürdig ist, fast schon wenig. Bei der Bernauer Sternwarte kommt der Zusammenhang zu den Jugendstrafen dadurch zustande, meint Anwalt Weimann, dass „der Förderverein so viel für die Jugend tut“.
Peter Küster, Vorsitzender der „Trinkkegelcousins“ (TKC) Wriezen, konnte nicht recht erklären, warum ausgerechnet sein Sportverein in den vergangenen fünf Jahren summa summarum 23 400 Euro eingestrichen hat. „Es kann natürlich sein, dass sehr viele Straftäter aus unserer Heimatstadt kommen“, lautet seine abenteuerliche Begründung.
Ein Geheimnis bleibt auch, warum das Konservatorium Cottbus vom Amtsgericht der Stadt in drei Jahren 18 075 Euro erhielt. Das wäre besonders interessant, denn laut eines Berichts an das Kulturministerium ist die kommunale Musikschule in einer günstigen finanziellen Lage mit einer „privilegierten Personalsituation“. Zu den „speziellen, selten nachgefragten“ Angeboten gehört das Harfenspiel.
…Vorbild für eine Neuregelung könnte Hamburg sein. Dort entscheiden schon seit 1972 nicht die Richter, welche Vereine gefördert werden. Die Geldstrafen werden an vier Sammelfonds überwiesen, die jeweils ein Gremium kontrolliert. Dem gehören je ein Richter, ein Staatsanwalt, ein Vertreter der Justizbehörde und zwei beratende Mitglieder aus der Behörde für Familie und Soziales an. Die Unabhängigkeit der Richter wird gewahrt, weil sie auch freihändig entscheiden könnten. Was sie in der Regel aber nicht tun.
„Unser Verfahren beugt Missbrauch vor“, sagte Hamburgs Justizsprecher Thorsten Fürter. Abgesehen davon können sich nur Einrichtungen bewerben, die in Hamburg oder für Hamburger Bürger aktiv sind oder dort ein starkes Engagement ehrenamtlicher Gruppen nachweisen können. …