Euros für Ärzte, correct!tv, 16.11.2016
Die Datenbank Euros-für-Ärzte, in der Leser von CORRECTIV und „Spiegel Online“ erstmals direkt nachschauen können, ob ihr Arzt im vergangenen Jahr Geld von der Pharmaindustrie bekommen hat, erfährt scharfen Gegenwind. Eine Rechtsanwaltskanzlei aus Jena stachelt bundesweit Mediziner dazu auf, juristisch gegen uns vorzugehen. Jeder Arzt könne auf eine „Geldentschädigung in Höhe von 10.000 bis 15.000 Euro“ hoffen, lockt die Kanzlei. Inzwischen prüft auch die Rechtsanwaltskammer Thüringen den Fall.
Im September erhielten viele Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ungewöhnliche Post. Es gehe um einen „Korruptionsvorwurf gegen Ihre Person“. Correctiv.org und Spiegel.de würden die angeschriebenen Mediziner in einer „Liste der käuflichen Ärzte“ führen und „im Subtext unterstellen, dass Sie gegen Geld der Pharmaindustrie Ihren Patienten bestimmte Medikamente verschreiben, die Sie mangels Indikation sonst niemals verschreiben würden“.
Verschickt werden die Briefe von der BKR Rechtsanwaltspartnergesellschaft in Jena, als Ansprechpartner wird der Anwalt Sascha Giller genannt. „Ist Ihnen bekannt“, steht in den Briefen, „dass gegen Sie der öffentliche Vorwurf erhoben wird, dass Sie durch die Pharmaindustrie käuflich seien?“ …
Auf Anfrage wollte die Kanzlei in Jena nicht mitteilen, an wie viele Ärzte sie dieses Schreiben verschickt hat. Mehrere Ärzte haben uns diesen Brief zukommen lassen, mit dem die BKR-Anwälte um Mandanten unter den Ärzten werben. Betreut werde „Ihr Fall” von dem „aus der Tagesschau bekannten Rechtsanwalt Sascha Giller“. In dem Schreiben findet sich auch der Hinweis, dass die Ärzte „kostenfrei“ Herrn Giller in einem Video auf der Homepage der Anwaltskanzlei „kennenlernen“ können. „Gesetzlich sind insofern auch schmerzhafte Entschädigungszahlungen vorgesehen“, sagt Giller da in die Kamera. …
Diese Art der Werbung ist grenzwertig für Rechtsanwälte. In der Bundesrechtsanwaltsordnung heißt es: „Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.“ Allerdings hat der Bundesgerichtshof 2013 auch entschieden, dass ein Rechtsanwalt nicht mehr gegen das Verbot der Einzelfallwerbung verstößt, wenn er potentielle Mandanten persönlich anschreibt und seine Dienste anbietet, ohne sie zu belästigen, zu nötigen, zu überrumpeln und die sachliche Werbung hilfreich ist.
Ob das in diesem Fall so ist oder nicht, wird die Rechtsanwaltskammer Thüringen entscheiden. Wir haben den Fall dort gemeldet; die Kammer sieht ausreichend Anlass, den Vorgang zu prüfen. …