Anwalt vor Gericht: Soll Sozialrechtsanwalt Alfred Kroll mundtot gemacht werden?, 18.10.2008
Am 27. Oktober 2008 um 10 Uhr steht der auch in Wilhelmshaven bekannte und geschätzte Oldenburger Rechtsanwalt Alfred Kroll vor Gericht – dann nicht an der Seite eines Mandanten, der um sein Recht kämpfen muss, sondern diesmal in eigener Sache.
Im Sitzungssaal 1 des Oberlandesgerichts Oldenburg am Richard-Wagner-Platz 1 wird es ein Anwaltsgerichtsverfahren geben, bei dem Alfred Kroll nachgewiesen werden soll, dass er sich in Schriftsätzen „unsachlich“, „herabsetzend“, „polemisch“ usw. usf. über Amtsleiter von Sozialleistungsbehörden geäußert habe.
Entsprechende Verfahren gegen Kroll gab es schon in der Vergangenheit.1997 wurde eines gegen eine Entschuldigung bei zwei Behördenvertretern, die sich auf den Schlips getreten fühlten, und eine Zahlung von 2000 DM Geldbuße eingestellt; 2001 wurde eines niedergeschlagen, weil dem Anwalt die ihm vorgeworfenen Entgleisungen nicht nachgewiesen werden konnten.
Wer Alfred Kroll kennt – z.B. die Gäste der ALI-Versammlungen, bei denen er als Referent auftrat, seine StudentInnen an der Universität Oldenburg oder die Beschäftigten von Hilfsdiensten, die ihn als Referenten zu Fortbildungsveranstaltungen eingeladen hatten – weiß, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht, Unrecht anzuprangern. Wir haben ihn im Gegenwind entsprechend zitiert. „Rechtsbruch, Missbrauch, Willkür“ hat er dem Job-Center Wilhelmshaven vorgeworfen (GW 207), eine „skandalöse Rechtsauffassung“ hat er ihm bescheinigt (GW 219), und zum Thema „Kinderwohngeld“ hat er gesagt, wenn das Job-Center Hartz IV-Eltern dazu auffordere, Wohngeld für ihre Kinder zu beantragen, dann sei das „Nötigung zum Rechtsbruch“ (GW 228).
Wer Kroll kennt, rechnet auch bestimmt nicht damit, dass er nun angesichts eines Standesverfahrens die Füße stillhalten wird. Kroll bearbeitet jährlich ca. 1000 Fälle im Zusammenhang mit Hartz IV, darunter wohl die meisten Klagen Wilhelmshavener Betroffener, und er vertritt häufig und engagiert Menschen mit Behinderungen.
In seiner Pressemitteilung über das neuerliche Verfahren gegen ihn äußert er, dass er „im Rahmen einer anwaltlichen Interessenvertretung in ca. 2-3 Fällen pro Jahr zur Vermeidung von irreparablen gesundheitlichen Schäden seiner behinderten Mandanten und zur Abwendung von Eigen- und Fremdgefährdung (…) sozusagen im Kampf um das Recht teilweise zu drastischen, aber wirkungsvollen Maßnahmen gegenüber den verantwortlichen Behörden greifen“ musste, wenn seine Mandanten „eklatanten Willkürakten durch die verantwortlichen Amtsträger bis hin zur Rechtsbeugung (…) ausgesetzt“ waren.
Zu seiner teilweise drastischen Wortwahl sieht er sich verpflichtet, wenn es darum geht, Hilfebedürftigen zu ihrem Recht zu verhelfen.
In der Anschuldigungsschrift der Generalstaatsanwaltschaft werden Kroll (exemplarisch nur) zwei Pflichtverletzungen vorgeworfen, und es wird gesagt, er greife „in seinen Schriftsätzen immer wieder zu Formulierungen, die wegen ihrer Unsachlichkeit bei den Sozialbehörden, aber auch bei den Gerichten Anstoß erregen.“
Und eine enttäuschte Erwartung formuliert die Generalstaatsanwaltschaft auch: Die Einstellung des Verfahrens 1997 gegen Zahlung von 2000 DM war „mit der Erwartung verknüpft, dass der Rechtsanwalt in Zukunft das Gebot der Sachlichkeit beachten wird.“ Aber dennoch habe Kroll danach wieder Anlass zu Beschwerden beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer und dadurch zu einem Standesverfahren gegeben.
Besonders empörend findet die Generalstaatsanwaltschaft es offenbar, dass Kroll „sogar während der laufenden vorgenannten Verfahren sein unsachliches Verhalten (…) fortsetzte.“
Was ist so unsachlich an Krolls Schriftsätzen und seinen Einlassungen vor Gericht?
Er wirft Sozialbehörden „Nötigung“ und „unterlassene Hilfeleistung“ vor, nennt die Verweigerung von Leistungen, auf die seine MandantInnen Anspruch haben, „skandalös“ und bezeichnet sie als „eklatanten Rechtsbruch“. …
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