Wann ist ein Richter befangen? Als Beispiele werden genannt die mittelbare Beteiligung des Richters am Rechtsstreit, eigenes Interesse am Prozessausgang, nahe persönliche Beziehungen zu einer Partei (Rotary oder Lions Club mit dem Gegenanwalt reichen da nicht aus), Interessenswahrnehmung für eine Partei, unsachgemäße Verfahrensleitung, grobe Verfahrensverstöße, Untätigkeit. Die Frage der richterlichen Befangenheit bei Hinweisen auf bestehende Einreden und Gegenrechte ist sehr streitig, mit Hinblick auf § 139 Abs. 3 ZPO, der dem Richter die Redepflicht auferlegt, die Parteien auf übersehene Bedenken aufmerksam zu machen, kann man hier wohl inzwischen toleranter sein. Es ist wichtiger, einen Richter zu haben, der sagt, was Sache ist, und Gelegenheit bietet, dazu vorzutragen, als einen Richter, der die Hauptargumente verschweigt bis zu seiner Überraschungsentscheidung.
Ein Zivilrichter, der eine der Parteien des Zivilprozesses, in dem er zu entscheiden hat, im Verlauf des Prozesses anzeigt, sei nicht befangen, so eine Entscheidung des Amtsgerichts Rastatt vom 1.03.2006, Aktenzeichen 2 C 658/03. Die Frage wird in Literatur und Rechtsprechung äußerst kontrovers beurteilt.
Zitat AG Rastatt: “Drängt sich bei einem Richter aufgrund während des Verfahrens gewonnener Erkenntnisse der Verdacht auf, dass sich ein der Parteien möglicherweise strafbar gemacht hat und legt er daraufhin die Akten der Staatsanwaltschaft vor, so folgt allein hieraus noch kein Anschein von Voreingenommenheit.”
Nach Auffassung des Kommentators kann diese Meinung nur eingeschränkt bestätigt werden. Eine Strafanzeige durch den Zivilrichter muss “ultima ratio” bleiben, der allerletzte Strohhalm, und erst, wenn es keinerlei Möglichkeiten mehr gibt, eine zivilrechtliche Lösung zu erzielen, darf der Richter zu derart drastischen Schritten greifen wie zu Strafanzeigen gegen Parteien.
Wer entscheidet über die Befangenheit? § 45 ZPO, dasselbe Gericht, dem der Richter angehört. Wenn Kollegen über die Befangenheit der eigenen (möglicherweise vorgesetzten) Kollegen entscheiden, dann fällt die Entscheidung nur leicht zu Gunsten der Kollegen aus. Der Anschein derartiger Vetternwirtschaft kann nur vermieden werden, wenn man die Zuständigkeitsvorschriften hier radikal ändern würde.
Besser wäre es jedoch, zur Vermeidung des Anscheins von Befangenheit, wenn das Gesetz an den Ablehnungsantrag einer Partei eine wertneutrale, gerichtlich nicht zu überprüfende Konsequenz anknüpfen würde, z.B. ein Recht, beim Verdacht der Voreingenommenheit eines Richters ein Geschworenengericht statt des Richters verlangen zu dürfen, wie es in den USA besteht, oder schlicht einen anderen Richter. Den Schutz vor Missbrauch dieses Rechts könnte man dadurch erreichen, dass das Recht in einem Prozess so begrenzt wird, dass es z.B. nur einmal ausgeübt werden kann.
A. F., Rechtsanwalt
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