Wir wissen natürlich wie weiland Leonhardt, daß die mittlerweile über 100jährige deutsche Justizstruktur für die Gewaltenteilung weder gedacht war noch geeignet ist. Sie war vielmehr in der Monarchie des 19. Jahrhunderts als Herrschaftsinstrument konzipiert und hat die unter diesem Aspekt an sie gerichteten Erwartungen vor allem in den nicht demokratischen Systemen voll erfüllt. So nimmt es nicht Wunder, daß zahlreiche Richterinnen und Richter offensichtlich meinen, die Aufteilung der Richterpfründe unter den politischen Parteien sei bereits Gewaltenteilung.
Dazu eine Anekdote aus der Provinz:,
Im November 1994 entschied sich der Direktor eines kleinen Amtsgerichtes in einem idyllischen Moselörtchen, mit Vollendung seines 62. Lebensjahres im September 1995 den Ruhestand anzutreten. …
… Als der siegestrunkene Justizminister (FDP) infolgedessen am 21. März 1996 (3 Tage vor der Landtagswahl) in einer als Justizfeier deklarierten Veranstaltung den bisherigen Direktor verabschieden und seinen Schützling einführen wollte, war der bereits seit einem halben Jahr vergeblich auf diesen Akt fixierte Ruheständler genervt in den von ihm lang ersehnten Urlaub entschwunden.
Der nach dem Wahltage auch sieggewohnte Justizminister (FDP) ließ es sich indessen nicht nehmen, dieses Ereignis sodann im April 1996 neu zu terminieren, um die Rollen der an diesem Justizschauspiel sowohl vorsätzlich als auch schuldlos beteiligten Akteure einer Nachlese zu unterziehen. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, daß parteipolitische Erwägungen bei der Besetzung welcher Richterstellen auch immer niemals irgendeine Rolle gespielt hätten. Während die unter den Zuhörern befindlichen Gerichtspräsidenten und ihre Vertreter bei diesen Ausführungen zustimmend nickten, verfiel das übrige Publikum überwältigt in sprachloses Staunen.
Es gibt in der öffentlichen Diskussion um die Ämterpatronage bisweilen Stimmen, die – auch eigennützige – Einflußnahme der politischen Parteien befürworten. Ohne diese Auffassung hier näher beleuchten zu wollen, erscheint sie zumindest dann unerträglich, wenn die Einflußnahme politischer Parteien für die Demokratie lebensnotwendige Schnittstellen zwischen den politischen Gewalten – in diesem Fall zwischen der zweiten und der dritten Gewalt – beseitigt.
In jener – nur scheinbar führungslosen – Zeit hat das kleine Amtsgericht in dem idyllischen Moselörtchen über fünf Monate lang den Nachweis erbracht, daß es für den ausgeschiedenen Richter zwar eines Ersatzes, aber keiner von der Exekutive ausgekorenen Direktorin bzw. Direktors bedarf, um gute richterliche und verwaltende Arbeit zu leisten.
Was das Gericht vielmehr dringend benötigt – nicht zuletzt auch wegen des kaum zu bewältigenden Arbeitsanfalles – ist eine weitere Richterin oder ein Richter, die oder der auch geübt ist im Recht des Gewaltenteilungsprozesses. Justizbeamte, die in der Verkleidung von Richtern herumlaufen, gibt es reichlich.
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