770.000 Euro veruntreut? Seniorenbetreuer unter Betrugsverdacht, Hannoversche Allgemeine, 20.08.2012
Nach Angaben der Strafverfolgungsbehörde geht es insgesamt um eine Summe von etwa 770 000 Euro. Bereits Mitte Juli durchsuchten Polizisten im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Kanzleien und Wohnungen der insgesamt fünf Verdächtigen. „Dabei wurde einiges an Material sichergestellt, das derzeit ausgewertet wird“, sagt Oberstaatsanwältin Irene Silinger. Inzwischen haben drei der Verdächtigen Beschwerden gegen die Durchsuchungen eingelegt. „Darüber ist bislang noch nicht entschieden worden“, teilt die Behördensprecherin mit.
Das Verfahren gegen die Gruppe war ins Rollen gekommen, nachdem das Nachlassgericht des Amtsgerichts bei Kontrollen immer wieder Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte. Es handelte sich jeweils um Betreuungsfälle, mit denen Mitglieder der Gruppe zu tun hatten. Schließlich schalteten die Amtsrichter die Staatsanwaltschaft ein. Die Ermittler gehen zum derzeitigen Stand der Untersuchungen davon aus, dass die Berufsbetreuer solange „auf die alten Leute eingewirkt haben“, bis diese schließlich ihr Testament änderten. Dabei sollen die Rechtsanwälte geholfen haben. Die Betreuer wurden als Erben eingesetzt, in anderen Fällen auch als Testamentsvollstrecker. In dieser Funktion sollen sie zum Beispiel von dem Vermögen der Geschädigten hohe Geldbeträge an einen Wirtschaftsdienst für Senioren überwiesen haben, der dafür aber nie Leistungen erbracht hatte, sondern deren Inhaber mit den anderen Verdächtigen unter einer Decke steckte. „Noch ist nicht klar, als was diese Zahlungen in den offiziellen Büchern auftauchen, die Ermittlungen in diesem Punkt stehen noch ganz am Anfang“, sagt Silinger.
Die Staatsanwaltschaft wirft allen fünf Verdächtigen gewerbliche Untreue vor. Einige der Fälle reichen bis ins Jahr 2001 zurück. Damit sind sie verjährt und können von der Behörde nicht weiter verfolgt werden. Die Verdachtsfälle, in denen jetzt ermittelt wird, erstrecken sich auf den Zeitraum von 2007 bis heute. Martin Bischof, Mitglied im niedersächsischen Landesverband der Berufsbetreuer, hat die Nachricht von den staatsanwaltlichen Ermittlungen mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. „Für uns als Verband sind solche Vorfälle katastrophal, weil sie sich negativ auf das Image der Branche auswirken“, sagt er.
Berufsbetreuer kommen immer dann ins Spiel, wenn ein sogenanntes Betreuungsgericht die rechtliche Beratung, Unterstützung und Vertretung von alten, kranken oder behinderten Menschen anordnet. Berufsbetreuer arbeiten meist als Selbstständige, es handelt sich nicht um einen klassischen Ausbildungsberuf.
Nach Ansicht von Martin Bischof sind die Kontrollen für die Berufsbetreuer grundsätzlich ausreichend. „Die Amtsgerichte, die dafür zuständig sind, decken Fälle von Missbrauch in der Regal ja auf, nur ist es dann für die Betroffenen meist zu spät“, sagt Bischof. Der Verband setzt sich seit Jahren für eine grundsätzliche Reform des Betreuungswesens ein. „Es müssen endlich bundesweit einheitliche berufliche Standards für Betreuer eingeführt werden“, sagt Martin Bischof. Nur so könne gewährleistet werden, dass alte oder behinderte Menschen künftig gut versorgt werden können. Einen Teilerfolg auf diesem Weg haben die Lobbyisten bereits erzielen können. „Immerhin müssen angehende Berufsbetreuer seit einigen Jahren ein polizeilichen Führungszeugnis einreichen“, sagt Bischof.