Erfundene Vergewaltigung: Heidi K. muss keinen Schadensersatz zahlen, Der Spiegel, 05.02.2014
Die Lehrerin Heidi K. bezichtigte fälschlicherweise ihren mittlerweile verstorbenen Kollegen Horst Arnold der Vergewaltigung. Arnold musste fünf Jahre in Haft, wurde erst spät freigesprochen. Kurz darauf starb er. Nun steht fest: Heidi K. muss seiner Tochter keinen Schadensersatz zahlen.
Ihre Beamtenbezüge hat Sie zuvor an andere Personen abgetreten und erhält daher auch Prozesskostenbeihilfe.
Der Fall des zu Unrecht einer Vergewaltigung beschuldigten Lehrers Horst Arnold war einer der spektakulärsten Justizirrtümer der letzten Zeit. Seine Kollegin Heidi K. hatte ihn vor Gericht gebracht, er kam ins Gefängnis, wurde später freigesprochen, starb jedoch kurz darauf. Seine Tochter verklagte Heidi K. auf Schadensersatz. Nun steht fest: Heidi K. wird nicht bezahlen müssen.
Wer glaubt, Justizopfern widerfahre in Deutschland, wenn auch spät, so doch irgendwann einmal Gerechtigkeit, wird in diesem Fall eines Schlechteren belehrt: Bisweilen bleiben die Opfer auf der Strecke, wenn ihr Widerpart alle Mittel, die ihm der Rechtsstaat zur Verfügung stellt, geschickt ausschöpft.
Die Vorgeschichte: Arnolds Kollegin Heidi K. hatte ihn bezichtigt, sie in der Schule vergewaltigt zu haben. Das Landgericht Darmstadt sprach ihn 2002 nach einer leichtfertig und mangelhaft geführten Hauptverhandlung schuldig. Arnold musste die Freiheitsstrafe von fünf Jahren bis zum letzten Tag absitzen. Das Landgericht Kassel sprach ihn im Wiederaufnahmeverfahren im Jahr 2011 frei. Die Vorwürfe der Frau seien “von vorn bis hinten” erfunden, urteilten die Richter. Im Februar 2012 bestätigte der Bundesgerichtshof den Freispruch, der damit rechtskräftig wurde.
Für Arnold jedoch war es zu spät. Wenige Monate nach dem Freispruch starb er an Herzversagen im Alter von nur 53 Jahren.
Im Dezember 2012 erhob der Berliner Rechtsanwalt Hartmut Lierow, der das Wiederaufnahmeverfahren durchgesetzt hatte, für Arnolds Tochter Zivilklage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, das ihrem verstorbenen Vater gegen die Lehrerin Heidi K. zugestanden hätte. Denn schließlich hatte sie Arnold ins Gefängnis gebracht.
Im Oktober 2013 sprach das Landgericht Osnabrück der Tochter einen Schmerzensgeldanspruch des Vaters in Höhe von 80.000 Euro zu, das Geld wäre in ihr Erbe gefallen. Dagegen legte Heidi K. Einspruch ein.
Rechtsanwalt Lierow nahm am Mittwoch nun “zu seinem großen Bedauern”, wie er sagt, die Zivilklage gegen Heidi K. zurück. “Die Entscheidung meiner Mandantin, den Rechtsanspruch nicht weiter im Instanzenweg zu verfolgen, ist besonderen Umständen geschuldet”, teilte er mit.
Aus dem Urteil des Landgerichts Osnabrück hätten die Ansprüche der Tochter bislang nicht vollstreckt werden können, so Lierow. Zum einen legte Heidi K. Einspruch ein, zum anderen habe sie ihre noch immer weiterlaufenden Beamtenbezüge ohnehin rechtzeitig an Dritte abgetreten.
Für ihren Einspruch war Heidi K. vom Landgericht Osnabrück sogar noch Prozesskostenhilfe gewährt worden. Horst Arnolds Tochter hingegen müsste die Kosten des Prozesses vorfinanzieren. Dabei sei zu befürchten, teilte der Anwalt mit, dass seine Mandantin auf diesen Ausgaben selbst dann sitzenbleiben werde, wenn das zunächst zu ihren Gunsten ergangene Urteil bestätigt würde. Heidi K. hingegen könne ihre Anwälte aus dem Topf des Steuerzahlers finanzieren.
Die ehemalige Lehrerin war im September aufgrund der erfundenen Vergewaltigungsvorwürfe vom Landgericht Darmstadt wegen Freiheitsberaubung zu einer fünfeinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sie hat auch hier Revision eingelegt.