Die Erklärung von StA Dr. Leitmeier in der Zeitschrift Strafverteidiger, Fehlurteile seien systemimmanent, vorrangige Ursache sei die Begrenzheit menschlicher Erkenntnis, darf Fehlurteile nicht entschuldigen.
Schwenn und Leitmeier sind sich einig, dass es im Strafprozess, insbesondere bei Sexualdelikten, zu Fehlurteilen kommen kann.
Unter Hinweis auf Beispielfälle aus der Rechtsprechung listet Schwenn 10 Fehlerursachen auf, deren wiederholtes Auftreten nach seiner Ansicht zeige, dass man es weder mit untypischen Einzelfällen noch mit unvermeidbaren Missgriffen zu tun habe, die euphemistisch als „Justizirrtum“ abgetan werden können.
Leitmeier hält Schwenn vor, dieser habe im Grunde nur eine einzige Ursache für Fehlurteile präsentiert: menschliches Totalversagen. Nach Leitmeiers Auffassung sind Fehlurteile im Bereich von Sexualdelikten leider systemimmanent und durch Begrenztheit menschlicher Erkenntnis bedingt.
In dem heftig geführten Streitgespräch, mit teilweise persönlich diffamierenden Äußerungen, – „intellektuell dürftig, methodisch unzulässig und juristisch belanglos“[4], „dieser junge Staatsanwalt…muss noch viel lernen“[5] –passiert dann gerade das, was sich leider auch manchmal im Gerichtssaal ereignet: Durch kritische Äußerungen des Gegenübers wird der eigene Standpunkt infrage gestellt, wodurch Spannungen auftreten und den Blick auf das Wesentliche verstellen.
Schwenn und Leitmeier bleiben auf halben Weg stehen. Der Hinweis auf das Fehlverhalten der am Strafprozess Beteiligten benennt letztlich nur die Symptome, erklärt aber noch nicht die Ursachen von Fehlurteilen. Um das „Übel zu heilen“, ist es, wie in der Medizin, erforderlich, die Gründe für das Fehlverhalten der Beteiligten zu hinterfragen.
Auch der Hinweis von Leitmeier auf die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis als Ursache von systembedingten Fehlurteilen greift zu kurz, solange nicht festgestellt wird, ob nicht systembedingte Fehler vorliegen, die sich beseitigen lassen.
- Der Ansatz von Schwenn
Soweit Schwenn darauf hinweist, dass der Richter nachdem er selbst über die Zulassung der Anklage entschieden hat, nicht mehr in der Lage sei, sämtliche Tatsachen wahrzunehmen, die im Widerspruch zur Anklage stehen[6], spricht er damit das Problem der selektiven Wahrnehmung an. Schwenn`s Thesen sind: …