Harry Wörz nach zwölf Jahren und drei Prozessen freigesprochen, 22.10.2009; BGH bestätigt Freispruch 1 StR 254/10, 15.12.2010
Tränen der Erleichterung laufen Harry Wörz nach der einstündigen Urteilsverkündung über das Gesicht. Nach zwölf Jahren und drei Prozessen wurde der 43-Jährige heute freigesprochen. Nach Ansicht des Mannheimer Landgerichtes ist Wörz nicht schuldig, seine damalige Ehefrau Andrea mit einem Wollschal fast erdrosselt zu haben.
Gleich zweimal brandet am Donnerstag Applaus auf im sonst so nüchtern wirkenden Sitzungssaal 1 des Mannheimer Landgerichts. Zunächst, als Harry Wörz vom Vorwurf freigesprochen wird, seine damalige Ehefrau Andrea mit einem Wollschal fast erdrosselt zu haben. Und dann, als der Vorsitzende Richter Rolf Glenz einen anderen als Hauptverdächtigen der Schreckenstat vor zwölf Jahren in Betracht zieht: den Polizisten Thomas H., Arbeitskollege und Liebhaber des Opfers.
…Letztlich hatte sich der Dauerangeklagte während seines zwölfjährigen Rechtstreits hoch verschuldet. Neuhaus selbst war angesichts der Urteilsbegründung regelrecht aufgewühlt. „Dass ich diesen Tag in einem deutschen Gericht noch erleben durfte…“, kommentierte der Rechtsanwalt die Klarheit der richterlichen Worte.
Wenige Minuten zuvor hatte der Vorsitzende der Kammer minuziös fast alle Anklagepunkte zerpflückt und war den Argumenten der Verteidigung gefolgt. Die Anschuldigungen und angeblichen Indizien der Klageparteien nennt Glenz „vage oder ominös“. Das Wort Spekulationen sei angesichts der „dürftigen“ Beweislage noch schmeichelhaft. Kein Anklagevertreter habe eine Antwort darauf geben können, was den Angeklagten überhaupt zur Tat veranlasst haben könnte.
…Und auch der frühere Verteidiger des Angeklagten muss einstecken: Der habe Wörz zu einem Gefälligkeitsgeständnis drängen wollen und sich ansonsten nicht „durch übergroßes Engagement“ für seinen Mandanten ausgezeichnet.
Es sei deshalb ziemlich „unwahrscheinlich“, dass Wörz als Täter infrage komme, erklärt Glenz. Eine Ohrfeige gab es deswegen auch für das Landgericht Karlsruhe, das Wörz 1998 zu elf Jahren Haft verurteilt hatte, von denen er vier Jahre und sieben Monate absitzen musste. Da kein vorgetragener Beweggrund auch nur halbwegs einleuchtend gewesen sei, hätte der heute 43-Jährige schon bei früheren Verhandlungen überhaupt nicht verurteilt werden dürfen, machte der Mannheimer Richter seinem Unmut über die Prozessführung Luft.