Strafvereitelung im Amt durch Staatsanwaltschaften in Hessen?
Betroffener illegaler Verhaftung wirft Ermittlungsbehörden Vertuschung vor
Mehrere Jahre wurde über die rechtswidrige Verhaftung des Politaktivisten Jörg Bergstedt in Gießen geschwiegen. Dabei bot der spektakuläre Polizeieinsatz und die darauf folgende mehrtägige Inhaftierung Stoff für viele Fragen. Die Polizei hatte die Verhaftung durchgeführt, obwohl sie den vermeintlichen Täter an einem anderen Ort selbst observierte — um dessen Alibi also von Anfang wusste. Der Betroffene war als Polizei- und Justizkritiker bekannt, ebenso als scharfer Gegner des ebenfalls in Gießen wohnenden damaligen Innenministers Volker Bouffier. Wenige Stunden nach der Verhaftung mit anschließend frei erfundenen Tatvorwürfen trafen sich — obwohl Sonntagmorgen — der Gießener Polizeipräsident und Innenminister Bouffier, um über die Angelegenheit zu sprechen.
Erst aufgrund eigener Recherchen gelang es dem Betroffenen und seinem Anwalt Tronje Döhmer, die Abläufe aufzuklären. Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung verliefen jedoch ins Leere. Alle damit befassten Staatsanwaltschaften stellten stets fest, dass es keine Anhaltspunkte für Straftaten durch Polizei oder anderer Beteiligte gebe. Gleichzeitig verweigerten sie die Einsicht in die Ermittlungsakten.
Das hatte einen klaren Grund: Die beauftragten Ermittler vom Landeskriminalamt fanden nämlich etliche deutliche Hinweise auf Straftaten und vermerken das auch in ihrem Bericht. Gleichzeitig benannten sie notwendige weitere Ermittlungsmaßnahmen vor. Die Staatsanwaltschaften reagierten jedoch mit der Einstellung der Verfahren. Dadurch unterbanden sie gezielt weitere Ermittlungen und stellten die Verfahren mit der Lüge, es hätte keine Anhaltspunkte für Straftaten gegeben, ein. Damit warteten sie aber über fünf Jahre mit dem Ergebnis, dass nun fast alle möglichen Taten verjährt sind.
Der Betroffene Jörg Bergstedt, dem nun alle juristischen Chancen einer Aufarbeitung genommen wurden, stellte mit heutigen Tag Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen die beteiligten Staatsanwaltschaften und mögliche MittäterInnen. Er sieht zudem auch den Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung
erfüllt: “Die Akten zeigen ganz deutlich, dass Polizei, Justiz und Innenministerium stets miteinander in Kontakt standen. Die hatten Angst, dass die Sache auffliegt und manipulierten sogar Aktenteile!” Wenn aber Menschen zusammen handeln, um Straftaten erheblicher Bedeutung zu begehen, dann sei das eine kriminelle Vereinigung. Das dabei Uniform und Robe getragen würde, mache keinen Unterschied. “Eigentlich nicht”, wie Bergstedt hinzufügt. Denn er selbst schätzt seine Chancen auch diesmal wieder gering ein: “Da hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus!”
Hoffnung setzt er auf die noch laufende parlamentarische Aufarbeitung. “Wenn da genauer hingeguckt würde, gäbe es noch die Chance, die Sache aufzuklären”. Bergstedt selbst hat darauf aber keine Einfluss. Der Petitionsausschuss des Landtages, den er nach der illegalen Inhaftierung anrief, hat bis heute die Sache nicht bearbeitet — 5 lange Jahre Vertuschung scheinen auch dort die Abläufe zu prägen.