Der junge Richter und das Tonprotokoll, 23.06.2014
…Und somit hört jeder in der Verhandlung das, was er hören will. So sehen dann mitunter auch die Urteile aus.
Erst in der vergangenen Woche staunte ich nicht schlecht, als ich in einem Urteil lesen musste, was eine Sachverständige alles ausgesagt hätte. Über zwei Seiten wurde referiert, was die Dame alles zur Frage der Schuldfähigkeit meines Mandanten ausgeführt hätte. Und zwar mündlich.
Das Problem: Dazu wurde sie überhaupt nicht angehört. Jedenfalls nicht in diesem Prozess. Es gab schon einmal ein Verfahren, da hatte sie dazu etwas gesagt.
Gegen dieses Urteil führten wir die Revision, gewannen und es kam zu einer neuen Verhandlung. In dieser Verhandlung war die Sachverständige da, sprach aber zu einer völlig anderen Thematik. Was das Gericht nicht gehindert hat, wie oben aufgeführt über zwei Seiten Dinge zu behaupten, die nicht im Ansatz gesagt wurden und anscheinend aus dem alten Urteil schlicht abgeschrieben wurden.
Das ist alles schon sehr ärgerlich; ein Tonprotokoll könnte dazu führen, auch solche Dinge nachvollziehbar angreifen zu können. Würde ich jetzt in einer neuen Revision behaupten, all das hätte die Sachverständige nicht gesagt, würde ich mich in die Gefahr eines eigenen Strafverfahrens bringen. Nämlich dann, wenn die Richter das Gegenteil behaupten. Und einmal darf man raten, wem dann geglaubt wird.