Justizopfer des kalten Krieges
Mein ehemaliger Kollege, der jetzige Bundeskanzler Gerhard Schröder sah keinen Handlungsbedarf, als ich ihn im September 1999 an die dringend nötige Rehabilitierung der Justizopfer des kalten Krieges erinnert habe. Im Unterschied zum Justizunrecht der DDR, das bekanntlich den Gesetzgeber des wiedervereinigten Deutschlands zu großzügigen Wiedergutmachungsregelungen veranlaßt hat, sei bei uns alles rechtsstaatlich zugegangen. Man kann die Korrespondenz auf meiner Webseite nachlesen.
Herr Schröder muß vergessen haben, daß der kalte Krieg auf beiden Seiten Justizunrecht hervorgebracht hat. Er muß vergessen haben, was in den 50er und 60er Jahren in bundesrepublikanischen Gerichtssälen tatsächlich geschehen ist.
Vergessen, daß das politische Strafrecht unwidersprochen als Waffe im kalten Krieg bezeichnet werden konnte, daß der SPD-Kronjurist Adolf Arndt nachträglich klagte, das 1.Strafrechtsänderungsgesetz, mit dem 1951 die Kriminalisierung der Opposition gegen Adenauers Politik der Wiederaufrüstung und der Restauration der alten Machtverhältnisse begann, habe sich als Schlangenei erwiesen. Vergessen, daß die Richter und Staatsanwälte, die in den 50er und 60er Jahren Kommunisten und andere Antifaschisten für die Betätigung ihrer Gesinnung bestraften, noch dieselben waren, die schon unter Hitler gedient, und daß viele von ihnen schon damals Widerstandskämpfer verurteilt hatten. Vergessen, daß Menschen, die unter Hitler in Konzentrationslagern und Zuchthäusern ihrer Freiheit beraubt wurden und nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes ihrer Gesinnung treu geblieben waren, erneut eingesperrt wurden, wenn sie sich politisch betätigten. Ja, daß Widerstandskämpfern sogar die Renten und andere Wiedergutmachungsleistungen, die ihnen wegen im Nazi-Staat erlittener KZ- und Zuchthaushaft zustanden, aberkannt und bereits geleistete Zahlungen zurückgefordert wurden. Ein enormer Komplex von Justiz- und Verwaltungsunrecht, der eines Rechtsstaats unwürdig war und nur aus dem aus Hitlers Tagen überkommenen antikommunistischen Kollektivhaß und dem in alte Funktionen wiedereingesetzten Personal des NS-Staats zu erklären ist.
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