Nachdem die relevanten Dokumente zur U+C-Streaming-Abmahnung von RedTube-Nutzern (ausführlich hier) zwischenzeitlich durch Berliner Kollegen online gestellt wurden, ist es wohl an der Zeit zu fragen, ob man von einem Justizskandal sprechen sollte.
Aus den Dokumenten wird deutlich, dass die Abmahner es nicht schafften, irgendeine Kausalität zu Lasten des Anschlussinhabers darzulegen und das Zustandekommen der IP-Adressen völlig unklar ist. Vor allem aber: Das Gericht verwendete in dem Textbaustein des Beschlusses die Formulierung „sog. Tauschbörse“ („Durch das öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werkes zu den aus der Anlage ersichtlichen Zeitpunkten über eine sog. Tauschbörse liegt zudem eine Rechtsverletzung i.S.v. 19a UrhG vor.“) – obwohl dies nicht vorliegt und von den Abmahnanwälten nicht behauptet (nur suggeriert) wurde.
Es erscheint doch ziemlich naheliegend, dass die Richter den Antrag nicht wirklich gelesen haben. Der Hexenmeister namens Vernunft scheint sich zwischenzeitlich wegbegeben zu haben. Vielleicht wird das gesamte absurde System der Filesharing-Abmahnung aufgrund dieses Justizskandals nun endlich zum Einsturz gebracht. Denn bisher war stets ein Argument für die Zulässigkeit (neben der „moralischen Keule“), dass die Anträge auf IP-Herausgabe allesamt gerichtlich überprüft wären und so eine Bestätigung des Rechtmäßigkeit des Handelns vorliege. Nachweise, dass die Richter die Sachen einfach durchwinkten, ließen sich nicht führen.
Mit den RedTube-Abmahnungen zu Streaming wird nun offenbar: Es findet keine sachgerechte richterliche Überprüfung der Anträge statt. Die Richter machen sich stattdessen zu Handlangern dubioser Anwälte, die sich kleine Verfehlungen teuer bezahlen lassen. Obwohl es technisch einfach ist, irgendwelche IP-Adressen und angebliche Download-Zeiten zusammenzuschreiben, findet keine ordentliche Überprüfung der Ermittlung der IP-Adressen statt. (So auch Kollege Stadler: “…werden seit Jahren nur textbausteinartig durchgewunken”) Im Endeffekt kann sich jeder Internetnutzer willkürlichen Forderungen ausgesetzt sehen, ohne sich dagegen wehren zu können.
„Herr, die Not ist groß! / Die ich rief, die Geister / Werd ich nun nicht los.“ Wie zeitlos dichtete doch Goethe in seinem Zauberlehrling. Dass die Gerichte keine Zeit mehr haben, die hunderten auf sie einprasselnden Anträge zu lesen, ist ja auch kein Wunder. Wenn man ohne technischen Sachverstand einfach alles durchwinkt und keine kritische Prüfung durchführt, dann fängt man sich schnell in eigenen Fesseln und es fließt mehr und mehr Wasser die Stufen hinab. Die Richter am LG Köln versanken hier wohl in der von ihnen selbst geschaffenen Arbeitsflut.
Angesichts der nun vorliegenden Fakten ist es nun Zeit, den Filesharing-Abmahnungen endlich angemessen zu begegnen und aktiv zu fragen, ob hier nicht ein großer Justizskandal vorliegt. Es ist an der Zeit, dass die Presse mal etwas Staub aufwirbelt. Aufgabe der Staatsanwaltschaft wäre es, wenn schon nicht gegen die Richter, so zumindest gegen Rechtsanwalt Sebastian und U+C Urmann + Collegen vorzugehen.
Was kann man einstweilen als Internetnutzer tun zum Schutz vor Justizskandalen tun?
Am besten, man wechselt zu Vodafone. Die speichern keine IP-Adressen und können daher keine Anschlussdaten herausgeben – dort verringert sich die Gefahr deutlich, sich gegen willkürliche Forderungen wehren zu müssen.
Zum Abschluss noch ein paar Bonmots aus dem richterlichen Beschluss, die ich mal besser nicht kommentiere:
“Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten von dem Vorliegen der Voraussetzungen des §101 Abs. 9 UrhG auszugehen ist und im Rahmen weiterer Ermittlungen (§26 FamFG) nichts Sachdienliches mehr zu erwarten ist”
“Durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werks zu des, aus der Anlage ersichtlichen Zeitpunkten über eine sog. Tauschbörse liegt zudem eine Rechtsverletzung i.S.v. §19a UrhG vor.”
“Dass die streitgegenständlichen IP-Adressen der Beteiligten zuzuordnen sind, ergibt sich aus der vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung. Eine Berechtigung zur Zeugnisverweigerung ist nicht ersichtlich.Weder die Auskunftserteilung noch die hier getroffene Anordnung erscheinen der Kammer als unverhältnismäßig”