Kein Einzelfall. Totschläger durften frei rumlaufen: Darum entlässt die Justiz immer wieder Verdächtige, online-Focus, 22.08.2015
Zu viel Beweismaterial, zu wenig Personal: Weil die Justiz bei der Aufklärung von Straftaten zu langsam ist, kommen mutmaßliche Straftäter aus der U-Haft frei. Und zwar nicht nur in Einzelfällen.
Die deutsche Justiz scheitert immer wieder daran, mutmaßlichen Kriminellen fristgerecht den Prozess zu machen. Verdächtige müssen wegen zu langsamer Arbeit von Ermittlungsbehörden und Gerichten auf freien Fuß gesetzt werden.
Nachdem jüngst zwei – inzwischen rechtskräftig verurteilte – Totschläger in Hamburg ein erstes Urteil gegen sie anfochten, wurden sie wegen überlanger Verfahrensdauer auf freien Fuß gesetzt. Regierung und Justiz in Hamburg brachte das in Erklärungsnot. Solche Fälle sind in Deutschland keine Seltenheit, wie eine Umfrage in den Ländern ergab.
Die häufigsten Gründe: Einerseits dauern die Ermittlungen zu lange, bis es überhaupt zu einem Prozess kommt. Andererseits können sich die Prozesse durch die Menge an Beweismaterial zu sehr in die Länge ziehen. Durch Auswertung von DNA, Überwachungskameras oder Handys werden auch mehr Sachverständige benötigt, zusätzliche Prozesstage müssen angesetzt werden.
“Das ist für den Ermittlungserfolg ein Segen, aber für die zeitliche Belastung der Hauptverhandlungen ein Fluch”, sagt der Strafrechtsexperte des Deutschen Richterbunds (DRB), Stefan Caspari.
Eine Ursache für derartige Verzögerungen sieht der DRB in dem nach seiner Einschätzung eklatanten Personalmangel bei Richtern und Staatsanwälten. “Die schlichte Arbeitsüberlastung ermöglicht es manchmal nicht, Fälle fristgerecht abzuschließen” …