„Am 01.09.2011 erreichte mich die Mail einer Mitarbeiterin der Deutschen Richterzeitung. Darin lud sie mich ein, einen Aufsatz für ihr Blatt zu verfassen über die >>Einmischung des Reporters in Strafverfahren<<.. […]
Im Januar 2012 gab ich meinen Beitrag mit dem Titel>>Der Gerichtsreporter – Chronist oder Wächter?<< zum verabredeten Zeitpunkt ab. Grundlage des Artikels war ein Vortrag, den ich inzwischen im November auf dem Tagder Rechtspolitik in der Universität Frankfurt am Main gehalten hatte. Bald meldete sich nicht die Mitarbeiterin der DriZ, sondern der Redaktionsleiter Wolfgang Arenhövel persönlich bei mir – mit einer schlechten Nachricht: Es gehöre zu den >>Redaktionsgrundsätzen der DriZ<<;, schrieb er, >>einzelne Verfahren nicht zu kommentieren oder durch Dritte kommentieren zu lassen<<;. Deshalb solle mein Beitrag vor Abdruck um jens Drittel gekürzt werden, in dem er sich mit dem Kachelmann-Verfahren beschäftigt. Dass mein Vortrag zu diesem Verfahren überhaupt erst Anlass für den bestellten Beitrag gewesen war, erwähnte er nicht. Sein Schrieben war umso aufschlussreicher, als ich schon einmal mit Herrn Arenhövel zu hatte. Damals hatte meine kritische und korrekte Berichterstattung über zwei vermeidbare Fehlurteile des LG Osnabrück seinen Unmut erregt. Wolfgang Arenhövel war seinerzeit selbst Präsident jenes Landgerichts. Im Wiederaufnahmeverfahren des einen Verurteilten stellte sich später die Unschuld des Mannes heraus (für den zweiten Verurteilten brauchte die Kammer nicht einmal eine Hauptverhandlung, um zum selben Ergebnis zu kommen). In der mündlichen Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende damals: „Wir verstehen unsere Kollegen in Osnabrück nicht.”
Nun waren die Fehler im Kachelmann-Verfahren nach meiner Einschätzung fast die gleichen wie die in Osnabrück. Von einer Beschäftigung mit den Fehlerquellen der Strafjustiz hätten die Leser der Richterzeitung also durchaus profitieren können.[…] Ich erlaubte deshalb der Redaktion nicht, eine ihrer Kernaussage beraubte (oder besser: eine zensierte) Fassung meines Beitrags in ihr Blatt zu stellen.“ [S. 378 – grau hinterlegtes ‘Vorwort’]
„Seit jeher ist die Gerichtsberichterstattung ein Stiefkind des Journalismus. Kaum ein Massenmedium leistet sich einen richtigen Gerichtsreporter. Hans Leyendecker beklagte im Deutschlandfunk*, die Gerichtsreportage bleibe in den meisten Medienhäusern den Hospitanten, den Ausrangierten und den Redakteuren mit Alkoholproblem überlassen. Das trifft die Sache. Ins Gericht schickt man Anfänger und Laien. Weiß ein Politikredakteur nicht, was ein Überhangmandat* ist, kann er seine Sachen packen. Weiß ein Musikredakteur nicht, was eine Kadenz ist, landet sein Text im Müll. Weiß ein Fußballreporter nicht, was Abseits ist, darf er das Stadion nicht betreten. Weiß ein Gerichtsreporter aber nicht, was eine Revision ist, hat er sich für die Prozessbeobachtung noch lange nicht disqualifiziert. So machen im Gerichtssaal meist Ahnungslose den Aufpasser.
Dabei geht es im Strafverfahren um mehr als um Tore und Noten, sondern um Schicksale.Um das des möglichen Opfers und das des Angeklagten, der die Tat, die ihm vorgeworfen wird, vielleicht nicht begangen hat. […]“ …