Korrupte Polizisten und Richter im Puff, Der Trierer Sumpf, Der Spiegel, 16.03.1998
In Rheinland-Pfalz befehden sich das Landeskriminalamt und die Polizei in Trier. Die Kontrahenten werfen einander allzu enge Kontakte zum Rotlichtmilieu vor.
Es war ein kurzer Prozeß. Nicht einmal eineinhalb Stunden dauerte die Verhandlung, die um 12.30 Uhr am 18. November vergangenen Jahres vor dem Schöffengericht im rheinland-pfälzischen Wittlich begonnen hatte. Zeugen wurden nicht gehört. Die beiden Angeklagten waren geständig. Die Geschäftsführerin der Bar “Gentleman’s Night Club” im Eifeldorf Platten, eine 18jährige Britin, und ein 57jähriger Amerikaner mußten sich wegen Erpressung verantworten. Der Mann hatte Besucher beim Sex mit der jungen Frau gefilmt und für die Herausgabe der kompromittierenden Aufnahmen insgesamt rund 35 000 Mark gefordert. Als eines der Opfer nicht zahlte, sondern Polizei und Staatsanwaltschaft einschaltete, flog das Erpresserduo auf. Die strafrechtlichen Konsequenzen waren jedoch verblüffend mild. …
Ganz anders im Polizeipräsidium Trier. Dort hoffen seitdem viele, mit Hilfe dieses Falles einem seit Jahren währenden Streit eine neue Wendung geben zu können. Denn der Kunde, der nicht zahlen wollte und gefilmt worden war, als er sich von der Angeklagten im Separée mit Handschellen ans Lotterbett fesseln ließ, war Kriminalhauptkommissar.
Klaus W. gehörte zu den eifrigsten Fahndern einer Sonderkommission (AG 45) des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamts (LKA), die von 1992 bis 1997 die Kontakte von Polizisten, Richtern und Verwaltungsbediensteten ins Trierer Rotlichtmilieu untersucht hat. Seitdem herrscht eine Art kalter Krieg zwischen der Trierer Polizei und dem LKA in Mainz.
104 Tatverdächtige gerieten ins Visier der Ermittler – Polizisten, Richter und Prominente aus Gesellschaft und Politik. Insgesamt 369 Einzeldelikte hat die mitunter bis zu zehn Mann starke AG 45 recherchiert. Vier Polizisten wurden wegen Korruptionsverdachts zeitweise suspendiert oder aus dem Dienst entlassen, ein Strafrichter in den einstweiligen Ruhestand versetzt, gegen zwei weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wegen Menschenhandels und Förderung der Prostitution wurden Haftstrafen von insgesamt 35 Jahren verhängt. Mehrere Verfahren stehen noch aus.
Durch die Handschellen-Sex-Affäre des AG-45-Beamten Klaus W. fühlen sich jetzt jene Polizisten in Trier bestätigt, die schon länger über “unseriöse Methoden” ihrer LKA-Kollegen klagen.
Ein Trierer Anwalt vermutet, der Prozeß gegen die fesselnde 18jährige und ihren Komplizen sei nur deshalb so schnell über die Bühne gegangen, “weil verhindert werden sollte, daß der fragwürdige Arbeitsstil der AG 45 öffentlich zur Sprache kommt”.