14,5 Mio. € für zehn Wochen. Das ist nicht die Gage des Weltfußballers Lionel Messi beim FC Barcelona, sondern des Bremer Insolvenzverwalters Uwe Kuhmann für die vorläufige Insolvenzverwaltung beim ostfriesischen Bauunternehmen Bohlen & Doyen.
Als die Gläubiger von der hohen Entlohnung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfuhren, reichten sie im Mai 2010 Klage ein. Nachdem das LG Aurich diese im Juli 2010 wegen Ablaufs der Beschwerdefrist abgewiesen hatte, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im November 2011, dass das Verfahren wegen eines Formfehlers neu aufgerollt werden muss.
Es sei “völlig falsch” gewesen, den Gläubigerausschuss an der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu beteiligen, betonte Rohlfs. Bei der Beurteilung von Kuhmanns Vergütungsantrag habe “der arme Rechtspfleger ganz alleine den Vergütungsantrag eines hochspezialisierten Insolvenzverwalters” prüfen müssen.
Der Vergütungsantrag vom 14. September 2007, der der Nachrichtenagentur dapd vorliegt, weist auf zehn Seiten Zuschläge auf, die sich insgesamt auf den Faktor 12,5 belaufen. Nach dem Regelsatz hätten dem vorläufigen Insolvenzverwalter bei einem von Kuhmann errechneten Vermögen von 85 Mio. € knapp eine Mio. € zugestanden. Nach den Zuschlägen, die der Auricher Rechtspfleger in vollem Umfang anerkannt hat, erhöhte sich die Vergütung inklusive der Mehrwertsteuer auf fast 14,5 Mio. €.
Laut dem Bremer Anwalt der Gläubiger, Wolfgang Wutzke, hat Kuhmann aber auch die Berechnungsgrundlage zu hoch angesetzt. “Die Insolvenzmasse ist wesentlich niedriger”, sagte Wutzke der dapd. Der BGH-Beschluss, dass das Verfahren inhaltlich neu überprüft werden muss, sei ein Teilerfolg. Jetzt sei eine Situation entstanden, in der das LG Aurich erstmals inhaltlich über die Höhe der Vergütung entscheiden muss. “Danach”, da ist Wutzke sicher, “wird diese Höhe der Vergütung keinen Bestand mehr haben.”
Nachdem im Februar 2010 publik geworden war, dass auch der Wiesmoorer Betriebsratsvorsitzende von Bohlen & Doyen, Dietmar Harms, als Gläubigerausschussmitglied 404.756,78 € kassiert hatte, legte dieser sein Amt sofort nieder. Der jetzige Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Bohlen & Doyen, Wolfgang Eschen, sagte dapd, das Schlimme sei, dass Harms als Betriebsratschef diese Vergütung vor der Belegschaft verschwiegen habe. Erst nachdem ein Gläubiger bei Gericht Akteneinsicht erwirkt habe, seien “diese horrenden Vergütungen aufgeflogen”.
Eschens Freude über die BGH-Entscheidung war groß. Er hofft nun, dass neben vielen Handwerker- und Zulieferbetrieben Hunderte Arbeitnehmer, die in den letzten Monaten vor der Insolvenz auf Teile ihres Gehalts verzichtet hatten, ihr Geld aus der Insolvenzmasse zurückerhalten. Eschen bezweifelt die Kompetenz eines Rechtspflegers bei Vergütungen in dieser Größenordnung und sagte: “Vielleicht verhindert dieses Verfahren in Zukunft, dass ein Sachbearbeiter am Amtsgericht eine Vergütung von 14,5 Mio. € für einen Insolvenzverwalter festsetzen kann.”
Der rechtspolitische Sprecher der niedersächsischen Landtagfraktion der Grünen, Helge Limburg, sagte dapd: “Das Insolvenzverfahren Bohlen & Doyen zeigt exemplarisch, dass wir eine stärkere Spezialisierung brauchen. An jedem der 33 Insolvenzgerichte in Niedersachsen muss es mindestens einen Richter geben, der sich auf Insolvenzsachen spezialisiert.” Eine Überlegung wäre, dass Rechtspfleger bei einer Vergütung bis zu einer Million Euro und Insolvenzrichter ab einer Mio. € zuständig sind.
Auch der Frankfurter Insolvenzfachmann Hermann Oberhofer fordert mehr Kompetenz an Insolvenzgerichten. Oberhofer hatte 2010 Anzeige gegen die Festsetzung der Vergütungshöhe des Gläubigerausschusses sowie des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Bohlen & Doyen erstattet. Er ist der Ansicht, dass der Vergütungsantrag “mangels Professionalität durchgewunken” worden sei. In Köln, Hannover oder Hamburg gebe es Richter, die ausschließlich Insolvenzrichter sind. “Da wäre so etwas nicht durchgegangen”, sagte Oberhofer.
Der Insolvenzexperte ist aber überzeugt, dass auch ein Rechtspfleger die Sache hätte kritischer begutachten können: “Wenn ein Mitglied des vorläufigen Gläubigerausschusses mehr als 400.000 € für zehn Wochen bekommt, dann sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock, dass da was faul ist”, sagte Oberhofer.