“Manöver der Ausgrenzung und Isolierung” : Norbert Leppert über Glanz und Elend der Justizkritik und die Krallen der Kritisierten

“Manöver der Ausgrenzung und Isolierung” : Norbert Leppert über Glanz und Elend der Justizkritik und die Krallen der Kritisierten
Vielen kritischen Websites und Weblogs, die in seriöser Form die oft haarsträubenden Missstände in Behörden und Justiz thematisieren, dürfte vertraut sein, was Norbert Leppert, ehemals Gerichtsreporter der Frankfurter Rundschau, über den “Balance-Akt” der Justizkritik zu sagen hat.
Norbert Leppert ist, zusammen mit Frauke Höbermann und Holger Weimann, Mitverfasser des Handbuchs “Gerichtsreporter – Praxis der Berichterstattung. Gudrun Hoffmann hat diesen lesenswerten Beitrag gefunden und auf der Website der Humanistischen Union Marburg kommentiert.
Realität ist, dass die Justiz im Konflikt mit den Medien über beachtliche Mittel und Möglichkeiten verfügt, sich der Kritik und ihrer Kritiker zu erwehren: mal frontal und knüppelhart, mal indirekt und hintenherum, mal durch Ignorieren und Wegducken und selten, viel zu selten noch durch Bereitschaft zu konstruktiver Auseinandersetzung, zum Dialog mit dem Kritiker.
Auf diese Realität hat der Gerichtsreporter, der etwas verändern, etwas bewegen will, sich einzustellen. Damit muss er umgehen können.
Verteidigung sei Kampf, verlangt der legendär gewordene Hans Dahs in seinem ebenso legendären “Handbuch des Strafverteidigers”. Eine Forderung, die ich für mein Metier aufnehmen möchte, allerdings aber etwas weniger pathetisch und in dieser Formulierung: Justizkritik sei Engagement, und Engagement verlangt vom Gerichtsreporter, dass er im Auftrag seines Publikums die Kraft aufbringt, aber auch die Kompetenz und Unabhängigkeit besitzt, sich von Fall zu Fall bei der Justiz unbeliebt zu machen und zwar gründlich und mit allen Konsequenzen. Kein Gejammer, dafür aber das Bemühen, rückblickend und nunmehr jenseits des täglichen Getümmels etwas von den Bedingungen zu objektivieren, unter denen Justizkritik in der Bundesrepublik zu leisten ist, aber auch zu leiden hat.
Leiden als ein eklatanter Mangel, als eine empfindliche und in jeder Weise ernstzunehmende Einschränkung bei der Wahrnehmung eben jenes publizistischen Auftrags, dem in der Gerichtsberichterstattung die fraglos schwierigste, aber auch wichtigste Funktion zukommt: Kritik und Kontrolle der Justiz durch Öffentlichkeit. […]
Wie schön liberal klingt es doch …
Wie schön liberal klingt es doch, wie verständnisvoll, wenn bedeutende Justiz-Repräsentanten ausdrücklich bekunden, wie sie sich die Arbeit unserer Presse vorstellen: als wachsame und kritische Begleitung und nicht etwa als Hofberichterstattung und langweiligen Verlautbarungs-Journalismus.
Jenseits der Festtagsrede jedoch erweist sich solcherart Bekenntnis oft nur von kurzer Dauer, dann nämlich, wenn es im täglichen Geschäft plötzlich Ernst wird und die Justiz öffentlich unter Kritik gerät. Eben noch gestreichelt und ermuntert, bekommt der Reporter im Gericht zu spüren, dass die ihm dargereichte Hand einige hübsche Krallen hat. Und der Arm dieser Hand kann sich auch als ausgesprochen lang erweisen, bis hoch hinauf in die Chefetage von Verlag oder Sender.

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