Medizinische Kunstfehler Patienten sollen ein Recht auf Schadenersatz bekommen –, Berliner Zeitung, 07.02.2017
Als Meilenstein lobte einst die schwarz-gelbe Koalition das von ihr 2013 beschlossene Gesetz zur Stärkung der Patientenrechte. Doch Juristen, die sich mit Kunstfehlern von Ärzten beschäftigen, war von Anfang an klar, dass das Selbstlob keinerlei Grundlage hatte.
Der Vorsitzende Richter eines Arzthaftungssenats prägte die Formulierung, das Gesetz verändere nichts, nehme nichts zurück, füge so gut wie nichts hinzu, stärke die Rechte der Patienten nicht und helfe weder der Rechtsprechung noch den Rechtsanwälten: „Es schadet nichts, es hilft aber auch nicht und ist daher nichts anderes als ein Placebo.“
Inzwischen mehren sich aber die Stimmen, die endlich wirkliche Verbesserungen für die Patienten durchsetzen wollen. So gibt es die Forderung, nach dem Vorbild Österreichs auch in Deutschland einen Entschädigungs- und Härtefallfonds für die Opfer von Kunstfehlern einzuführen.
Ein Fall, der sich tatsächlich so zugetragen hat: Auf dem Operationstisch lag der 71-jährige K.; die Operation am offenen Herzen war beendet. Die OP-Schwester zählte die Tupfer, doch einer fehlte. Sie zählte erneut, doch das Ergebnis blieb gleich. Der Chirurg tastete noch einmal alles ab, doch auch dabei kam der Tupfer nicht zutage. Dann entschied der Arzt: Die Schwester hat sich verzählt. Der Brustkorb wurde geschlossen.
Zwei Tage später musste K. wegen einer akuten Blutvergiftung notoperiert werden. Der Tupfer fand sich im Herzbeutel. Ein eindeutiger Behandlungsfehler, der den Patienten fast das Leben gekostet hätte. Und dennoch weigerte sich die Klinik, eine Entschädigung zu zahlen. Die Komplikation sei nicht durch den Tupfer verursacht worden, so die Begründung.
…Eine Haftung des Mediziners besteht nur, wenn der Behandlungsfehler „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ für einen gesundheitlichen Schaden verantwortlich ist.
In Zahlen ausgedrückt wäre das eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent. In anderen EU-Ländern reicht dagegen eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, das wären 51 Prozent. Diese Differenz beschreibt die hierzulande bestehende Rechtslücke. Patienten haben darüber hinaus auch dann keine Chance auf Entschädigung oder Hilfen, wenn eine bisher unbekannte Komplikation auftritt. …