Am Anfang lief alles nach Plan in jener Märznacht 2010. Die Polizei observierte die mutmaßlichen Täter, stoppte deren Wagen nach einem Baumarkt-Einbruch in Dessau-Roßlau auf offener Straße. Als einer der Beamten des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) die hintere Tür des verdächtigen Autos öffnen wollte, begann der Zugriff aber gründlich schief zu gehen: Aus seiner Waffe löste sich ein Schuss, der den im Wagen sitzenden Dominik R. ins Gesicht traf. R. kam schwer verletzt ins Krankenhaus, musste ins künstliche Koma versetzt werden.
Vier Jahre und einige Justizinstanzen später erklärt sich das Land nun bereit, dem heute 29-Jährigen dafür unter anderem 30000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Der Zivilprozess am Magdeburger Landgericht endete am Freitag nach knapp anderthalb Stunden mit einem Vergleich, den der Anwalt des Landeskriminalamts (LKA) ins Spiel brachte.
Dominik R. verlor durch die Schussverletzung sieben Zähne im linken Ober- und Unterkiefer, die bis heute nicht ersetzt sind. Ein knappes Jahr später wurde er selbst vom Landgericht Dessau-Roßlau zu vier Jahren Haft verurteilt. Insgesamt waren ihm und einem Komplizen 21 Taten vorgeworfen worden: neben Einbrüchen in Baumärkte und einen Jugendklub auch Brandstiftungen an Autos und Lkw. Bis Oktober 2013 saß R. nach eigenen Angaben seine Strafe ab, dann wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen.
Ermittlungen eingestellt
Die Ermittlungen gegen den MEK-Beamten, aus dessen Waffe sich der Schuss gelöst hatte, wurden indes eingestellt. Die Staatsanwaltschaft kam zum Ergebnis, dass ihm keine Schuld nachzuweisen ist. Gutachter hatten erklärt, dass die Kraftentfaltung beim Öffnen der von innen verriegelten Autotür automatisch eine Muskelkontraktion in der anderen Hand ausgelöst haben kann, in der der Elitepolizist die Waffe hielt. Der Reflex war für ihn unkontrollierbar, argumentierte künftig auch das Land.
Nichtsdestrotrotz klagte R. auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe allerdings wurde zweimal abgelehnt: Sowohl das Landgericht Magdeburg als auch das Oberlandesgericht Naumburg bescheinigten der Klage zu geringe Erfolgsaussichten. Das Bundesverfassungsgericht hob 2013 die Beschlüsse auf, so dass nun doch verhandelt wurde.
„Es geht darum, ob jemand, der sich nicht gewehrt hat bei der Festnahme, Schadenersatzanspruch hat, wenn er trotzdem angeschossen wird“, sagte der Anwalt von R., Alexander Funck. Mindestens 30000 Euro Schmerzensgeld wollte der 29-Jährige, dazu Ersatz für alle derzeitigen oder künftigen Schäden. Überraschend brachte nun das LKA selbst einen schon früher ohne Ergebnis besprochenen Vergleich ins Spiel: Es erhöhte die ursprünglich genannte Summe von 20000 Euro Schmerzensgeld um weitere 5000 und war zudem bereit, Anwaltskosten von R. und gut 12000 Euro für geplante Zahnimplantate zu übernehmen. „Das ist schon ein sehr großes Entgegenkommen“, sagte Anwalt Matthias Endler. Nach weiteren Gesprächen auf dem Gerichtsflur ging er beim Schmerzensgeld auf 30000 Euro hoch. Weil ein Detail noch mit dem Justizministerium geklärt werden muss, behielt sich das Land aber eine Widerrufsmöglichkeit vor.
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