Presseplätze im NSU-Prozess, Peverser Rassismus trifft auf richterliche Borniertheit, 02.04.2013

NSU und Justiz-Perverser Rassismus trifft perverse Borniertheit
von JasminTeam , 2.April 2013 

Bayrische Gerichte machen selten internationale Schlagzeilen, aber der NSU-Prozess hat es geschafft. Waren die feigen Untaten der NSU pervers genug, so kommt jetzt die Justiz mit einer wahrhaft perversen  Auslegung des Begriffes der “Gleichbehandlung” daher: Kein türkisches Medium darf in den Gerichtssaal. Der Vorwurf der Borniertheit steht im Raum.

Der Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer soll am 17. April starten. Der im November 2011 endlich enttarnte “Nationalsozialistische Untergrund” (NSU) wird für eine bundesweite Mordserie an neun Migranten, davon acht türkischer, einer griechischer Herkunft, sowie einer Polizistin verantwortlich gemacht. Der schreckliche Verdacht steht im Raum, dass rassistische Netzwerke sich innerhalb des deutschen Innlands-Geheimdienstes “Verfassungssschutz” festgesetzt haben könnten: Dies würde die Ermittlungspannen erklären, vor allem aber die skandalöse Aktenvernichtung von NSU-Ermittlungsergebnissen. Bei einem Prozess, bei dem es auch um die Frage geht, ob Rassisten innerhalb des Staatsapparates Mitwisser oder sogar Mittäter bei rassistischem Terror sein könnten, gerät nun auch noch die Justiz in den Verdacht der Borniertheit.  Borniertheit ist bekanntlich Bestandteil rassistischer Ideologien und ein Hauch von Rassismus lässt sich beim Gesamteindruck der Ergebnisse der Arbeit des Münchener Gerichts wohl auch erahnen -etwa beim Begriff “Windhund-Verfahren”.“Gleichbehandlung” -flink wie ein Windhund

Das OLG München hatte die 50 Presseplätze im Verfahren gegen  Zschäpe und Unterstützer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU an die Medien nach dem justiziabel sogenannten “Windhund-Verfahren” vergeben. Das heißt, dass allein die Medien, die sich nach Bekanntgabe der Sitzungstermine als erste gemeldet hatten, Plätze bekamen. Dabei gingen alle türkischen und die meisten internationalen Medien leer aus. Das ist jedoch kein Zeichen dafür, dass nur stramme teutsche Journalisten “zäh wie Hosenleder, hart wie Krupp-Stahl und flink wie ein Windhund” sind (so wollte Adolf Hitler einst die teutsche Jugend erzogen haben).Es ist einfach eine statistische Frage, dass bei etwa 10.000 deutschen und nur ca. 10 türkischen Journalisten, die ins Rennen gehen, die Wahrscheinlichkeit nur 1:20 beträgt, dass ein Türke durchkommt. Doch die borniert vom Gericht vorgetragene Begründung, es ginge um “Gleichbehandlung”  erweckt auch noch die rassistische Assoziation, die Türken hätten eben mal früher aufstehen sollen. Damit knüpft man an von deutschen Mainstream-Medien zwecks Finanz-Ausplünderung gegen Griechen aufgebaute Vorurteile über “mediterranen Schlendrian” an, der jetzt implizit auch auf das Mittelmeerland Türkei ausgedehnt wird. Dass unter den gegebenen Bedingungen der Ungleichheit (deutsche Täter, türkische Opfer) eine formale “Gleichbehandlung” zu einer faktischen Diskriminierung werden könnte, kam den Juristen nicht in den Sinn.

Es gab viele Ermittlungspannen
Das deutsche Rechtswesen steht insgesamt nicht in dem Ruf, ein progressiver Teil der Gesellschaft zu sein. Einige meinen sogar, dass man die Juristen nach dem verlorenen Weltkrieg leider bei der Entnazifizierung vergessen habe (zumindest in Westdeutschland). Die Juristen gelten im “Lande der Dichter und Denker” (so sehen sich die Deutschen gerne selbst, andere machten daraus schon das “Land der Richter und Henker”) als eine wenig kosmopolitische Gruppe. Vielmehr kommt es zu “akademischem Inzest” (Juristenkinder machen einen weit überdurchschnittlichen Anteil der Studenten im Fach Jura aus) und einer geistigen Haltung, die ihre deutschtümelnde Fachsprache frei von Anglizismen hält und selten über die Fachgrenzen hinaus blickt. Doch wenigstens in diesem Fall sollten deutsche Juristen einmal die internationale Dimension mitbedenken.

Was ist mit der Gleichbehandlung von Türken und Juden?
Denn nicht einmal der Botschafter der Türkei in Berlin, Hüseyin Avni Karslioglu, erhielt einen reservierten Platz im Gerichtssaal -kein Wunder, dass die türkische Regierung sich zur Intervention gezwungen sah. Man stelle sich vor, im Prozess gegen Nazi-Massenmörder, deren Opfer Juden waren, hätte das Gericht keinen israelischen Journalisten zuschauen lassen wollen -wie groß wäre der Protest da gewesen?

Trauer um die Opfer

Platzvergabe für Beobachter des NSU-Prozesses ist daher auch Gegenstand von diplomatischen Beratungen auf Regierungsebene. Wie das Auswärtige Amt  bestätigte, intervenierte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu telefonisch bei seinem deutschen Kollegen Westerwelle (FDP). Dabei habe Davutoglu „die Erwartung der türkischen Regierung“ deutlich gemacht, dass Vertreter türkischer Medien sowie auch des türkischen Staates als Beobachter an dem Prozess vor dem Oberlandesgericht München teilnehmen sollten.„Außenminister Westerwelle äußerte Verständnis für das türkische Anliegen, verwies jedoch auf die richterliche Unabhängigkeit“, erklärte dazu ungerührt das Auswärtige Amt. Der FDP-Funktionär Westerwelle hätte vielleicht seine Parteifreundin, die Justizministerin, dazu befragen sollen, wieviel Borniertheit (den Begriff bracht SPD-Funktionär Gabriel in diesem Zusammenhang auf) bei deutschen Gerichten überhaupt hinzunehmen sei.Unterdessen wird schon bezweifelt, ob die Auflistung von Personen aus dem Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrund“, die der Ausschuss kürzlich von den Sicherheitsbehörden bekommen hat,  überhaupt vollständig ist. Der Ausschussvorsitzende erwartet noch weitere Erkenntnisse über V-Leute: „Ich bin ziemlich sicher, dass wir noch nicht von allen V-Leuten im Umfeld des NSU-Trios wissen, dass sie V-Leute waren“ , sagte SPD-Funktionär Edathy der FAZ. Das Gericht würde sich gut daran tun, sein Verhalten noch einmal zu überdenken. Die Freiheit und Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut, dem sich die Gerichte aber auch würdig erweisen müssen. Juristische Besserwisserei beim begrifflichen Haarespalten ist letztlich nur eine juristische, keine moralische Ausrede vor der Vernunft.

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