Quiz mit Stromschlägen Fernsehspiel mit dem Tod, 18.03.2010
“Sie müssen bis zum Ende gehen”: Ein modernes Milgram-Experiment schockiert Frankreich. Es zeigt, dass TV-Kandidaten nicht davor zurückschrecken, Mitspieler mit Stromschlägen zu foltern.
Gehorsam oder Gewissen, das ist der Gegensatz, um den sich das Milgram-Experiment dreht. Der amerikanische Psychologe Stanley Milgram entwickelte es Anfang der sechziger Jahre, um herauszufinden, was durchschnittliche Menschen alles anrichten, wenn eine respektierte Obrigkeit es befiehlt. In dem Experiment wurde den Testpersonen eingeredet, sie müssten zu Forschungszwecken anderen Leuten immer stärkere Stromschläge erteilen. Das Ergebnis verstörte die Öffentlichkeit. 65 Prozent der Probanden gingen soweit, Schläge bis zur Höchststufe von 450 Volt zu erteilen.
Der Schauspieler Lauren Le Doyen, der den gefolterten TV-Kandidaten mimt, sitzt auf einem vermeintlichen Elektrischen Stuhl. (© Foto: AP)
Der französische Filmemacher Christophe Nick hat diesen Versuch jetzt in einem anderen Kontext wiederholt. Die Autorität ist hier nicht mehr die Wissenschaft, sondern das Fernsehen. Das Resultat: Diesmal haben 81 Prozent der Versuchspersonen die “Höchststrafe” vollstreckt. Nick folgert, die Menschen seien durchs Fernsehen derart an Gewalt und Voyeurismus gewöhnt, dass man im TV sogar eine Hinrichtung inszenieren könnte. Er sagt: “Das Fernsehen kann fast jeden dazu bringen, alles zu machen.”
Der Filmemacher warb für seinen Versuch Freiwillige mit einem Casting an. Den Leuten wurde mitgeteilt, sie sollten an der Pilotsendung für eine neue Fernsehshow namens La Zone Extrême mitwirken. Dabei müsse sich ein Kandidat Begriffe merken und wiedergeben. Bei Fehlern werde er mit Stromschlägen von 20 bis zu 460 Volt bestraft. Nick und sein Wissenschaftlerteam hatten keine Probleme, 80 Freiwillige zu finden und in die vermeintliche Show zu schicken.
…Der staatliche Sender France 2 wollte das schauerliche Experiment am Mittwochabend als Dokumentarfilm mit dem Titel Spiel des Todes ausstrahlen. Ein Sprecher erklärte dazu: “Dies (die Testpersonen) sind weder Sadisten noch Feiglinge, sondern ganz normale Leute. 80 Prozent von ihnen haben sich wie mögliche Folterknechte verhalten. Das zeigt die furchterregende Macht, die das Fernsehen erlangt hat.”
Philip Zimbardo – Experiment:
…2004 sagte Zimbardo vor Gericht im Fall von “Chip” Frederick, einer Wache im Abu-Ghraib-Gefängnis, aus. Er argumentierte, dass Fredericks Strafe gemindert werden sollte, da sein Experiment gezeigt habe, dass nur wenige der “Atmosphäre” in einem Gefängnis widerstehen können. Als Systemkritiker, der sich mit dem Einfluss „toxischer Situationen“ auf menschliches Verhalten beschäftigt, reagierte Zimbardo voller Zorn auf die Behauptung der Bush-Regierung, „ein paar faule Äpfel“ seien für den Skandal verantwortlich, mit der Äußerung: „Nicht die Äpfel sind faul, sondern das Feld“. Der Richter schien anderer Meinung zu sein, er verurteilte Frederick zur Höchststrafe. Dies führte Zimbardo in einem Interview in der New York Times aus und wurde u. a. in der Welt und Der Tagesspiegel behandelt. …
Milgram – Experiment (Wiederholt vom Max-Planck-Institut 1970):
Das aufsehenerregende Experiment wurde Anfang der 60er Jahre von Stanley Milgram durchgeführt, um aufzuzeigen, wie sich Menschen unter Einfluss von Autorität verhalten, einer Autorität, die keine Gewalt ausübt. Es stellt gewissermaßen eine Fortsetzung des Konformitäts-Experiments des amerikanischen Psychologen Asch dar. Aus der Ausgangsfrage erwuchs ein komplexes Gebilde weiterführender Fragen, die dazu führten, dass das ursprüngliche Experiment 18-mal variiert wurde. Die Motivation für diese Experimentalreihe lieferten die Ereignisse des 2. Weltkrieges. Warum waren unter der Naziherrschaft so viele Menschen bereit, sich in den Dienst einer Tötungsmaschinerie zu stellen? Lag es an einem Charakterfehler dieser Menschen oder gibt es Situationen, in denen möglicherweise jeder in der Lage wäre, andere Menschen zu quälen und zu töten? …
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