Todorovs lange Jahre im Knast Die Autobiografie des ersten Geiselnehmers in Deutschland, Berliner Zeitung 14.03.2002
Er habe in die Luft geschossen, nie auf einen Polizisten gezielt, gibt er später bei der Gerichtsverhandlung zu Protokoll. Verurteilt wird er jedoch auch wegen versuchten Mordes. Das Urteil: lebenslang. Es ist eine umstrittene Entscheidung des Richters. Todorov habe für seinen toten Komplizen mitbüßen müssen, schreiben kritische Prozessbeobachter.
Die nächsten 22 Jahre verbringt Todorov im Gefängnis. Alle Anträge auf vorzeitige Entlassung wurden abgeschmettert. “Die Gefängnisse”, schreibt Todorov in seiner gerade veröffentlichten Autobiografie, “machen den Häftling auch geistig zu einem Gefangenen.” Das Gewaltsystem der Gefängnisse dringe “in ihn gleich einem Virus ein und hält sich selbst am Leben”. „Geld her – die großen Banküberfälle“: vierteilige NDR Dokumentarreihe
SPIEGEL-Reporter Gerhard Mauz im Todorov-Prozeß in München
Als Dimitri Todorov am 25. September den zweiten Anlauf zur Hauptverhandlung stoppte. begründete er seinen Entschluß, weder zur Person noch zur Sache auszusagen, mit der Behauptung, über ihn sei das “Lebenslang” ja doch schon vor dem Urteil gesprochen.
Als dann am Montag vergangener Woche die Hauptverhandlung tatsächlich begann, sprach Dimitri Todorov doch.
Leider nur, so scheint es, hat er so unrecht mit dem Vor-Urteil nicht gehabt.
… Wie verhält man sich, wenn man unversehens Geisel wurde, wenn — nach Stunden der Angst — die Retter nahen, Retter, die nur leider so schießen, daß man sich eher von ihnen als vom Geiselnehmer bedroht fühlt?
Als die Polizei eindrang, fühlte sie sich bei Dimitri Todorov noch am sichersten. Als ihm Patronen hinfielen, hat sie diese aufgehoben.
Als die Polizei Dimitri Todorov überwältigte, warf sie sich dazwischen, bis sie selbst niedergeschlagen wurde.
Gerhard Mauz kommentierte das Strafmaß seinerzeit im Spiegel mit den Worten: Wo der Wille zum Lebenslang ist, findet sich auch ein Weg.
Dimitr Todorov saß fast 22 Jahre in Haft, obwohl er niemanden getötet oder geschändet hat. Unvorbereitet in Freiheit, ließ er sich auf Drogenkurierfahrten ein, Der Spiegel 26.01.1998
Wenn die Haftzeit für Todorov über die drei Jahre und drei Monate hinaus durch eine Fortsetzung des Lebenslang ausgedehnt würde – bis zum 60. Lebensjahr vielleicht -, dann hätte die Strafe ihn endgültig zerstört. Er selbst ist nicht mehr gefährlich. Doch sein Schicksal bleibt es – für das Ansehen der bayerischen Justiz.