Rechtsanwalt Burhoff, Verfahrenstipps und Hinweise für Rechtsverteidiger (III/2013)
II. Ermittlungsverfahren
1. Unzulässiger Deal: Absehen vom Haftbefehl gegen Geständnis
Im U-Haftrecht gibt es die Diskussion um die sog. apokryphen Haftgründe, also andere als in § 112 StP0 im Gesetz normierte Gründe für die Anordnung der U-Haft, solche die im Verborgenen schlummern (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 2856 m.w.N. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]) . Wir kennen auch die Diskussion und den plakativen Satz: U-Haft schafft Rechtskraft.
Mit einer Fallkonstellation, die darüber noch hinausging, hatte sich vor einiger Zeit das OLG Köln zu befassen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 24. 6. 2013 – 2 Ws 264/13, JurionRS 2013,45766). Dort hatte der Beschuldigte in einem gegen ihn geführten Verfahrens wegen des Vorwurfs des schweren Raubes ein Geständnis abgelegt. Das hatte das LG aber wegen eines Verstoßes gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 StPO als unverwertbar angesehen und deshalb die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschuldigten abgelehnt. Das LG war davon ausgegangen, dass dem Angeschuldigten, gegen den der Haftgrund der Fluchtgefahr zum Zeitpunkt von dessen Festnahme vorgelegen habe, ein i.S. des § 136a StPO unzulässiger Vorteil versprochen worden sei,. Der Angeschuldigte habe gegenüber dem ihn vernehmenden Polizeibeamten seine Aussagebereitschaft von dem Nichtergehen eines Untersuchungshaftbefehls abhängig gemacht. Der Vernehmungsbeamte habe daraufhin mit der Staatsanwaltschaft Rücksprache gehalten und ihm anschließend erklärt, dass kein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt werde. Diese Vorgehensweise habe das Versprechen eines nicht vorgesehenen Vorteils beinhaltet. Die gegen die Nichteröffnung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte beim OLG keinen Erfolg
Das OLG Köln (a.a.O.) hat ebenso wie das LG die im Ermittlungsverfahren gegebene geständige Einlassung des Beschuldigten wegen eines Verstoßes gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 StPO gem. § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO als unverwertbar angesehen. Ein Verstoß gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 StPO liege insbesondere vor, wenn eine Haftentlassung für den Fall versprochen wird, dass der Beschuldigte ein Geständnis ablegt und hierdurch der Haftgrund der Fluchtgefahr nicht ausgeräumt werden kann (vgl. BGH NJW 1965, 2262; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, § 136 a Rn. 23 [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner]; vgl. auch AG Hannover StV 1986, 523, zu der Zusage, der Beschuldigte werde bei einem Geständnis nicht dem Haftrichter vorgeführt). Hier sei nach Aktenlage der in Aussicht gestellte Vorteil der “Nichtinhaftierung” mit dem Erfordernis eines Geständnisses verknüpft worden, indem seitens der Ermittlungsbehörden eine nach Maßgabe des § 136a Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 StPO unzulässige enge Verbindung zwischen einem Geständnis und einer Entlassung gezogen worden sei. Dies ergebe sich schon aus einer Formulierung im polizeilichen Abschlussvermerk, nach dem auf den Antrag auf Untersuchungshaft “insbesondere” verzichtet worden sei, “da der Tatverdächtige im Rahmen des Vorgesprächs bereits signalisiert hatte, nur ein Geständnis abzulegen, wenn er nicht in Untersuchungshaft ginge”. …