Unschuldig hinter Gittern, 3Sat, 02.06.2016
Einmal drin, kommt man so schnell nicht mehr raus aus dem Knast. Diese bittere Erfahrung machen auch viele zu Unrecht Verurteilte in Deutschland. Hierzulande sitzen Hunderte unschuldig hinter Gittern.
Clinton de Klerk war Lufthansa-Personaltrainer, bis er wegen angeblicher Falschmünzerei verurteilt wurde. Fast zwei Jahre saß er in Haft.
Übereifrige Ermittler und Staatsanwälte behaupteten, de Klerk habe entwertete Euromünzen, die als Metallschrott nach China verkauft worden seien, nach Deutschland wieder eingeführt und bei der Bundesbank schließlich gegen „echtes“ Geld eingetauscht. Dass selbst die Bundesbank versicherte, dies sei gar nicht möglich, interessierte die ermittelnden Staatsanwälte und das Gericht wenig. Erst im Revisionsverfahren wurde festgestellt, dass de Klerk unschuldig ist. Heute ist er frei, kämpft um eine Haftentschädigung und um einen neuen Job. Unter der Haftzeit leidet er noch immer.
“Eine Hypothese, die vom Gericht zur Wahrheit erklärt wird.”
Der Strafverteidiger Gerhard Strate erlebt so etwas oft.
Wenn am Ende dann so ein Urteil steht, dann denkt der normale Justizangestellte, das ist doch alles Prima gelaufen. Das da noch Platz für einen Irrtum sein sollte, das kommt ihm nicht in den Sinn.
Selbstkritik in den Reihen der Richterschaft sieht sicherlich anders aus.
Richter Heinrich Gehrke a.D.:
“Selbstkritik ist sicherlich das was Richter am wenigsten haben.
Es gibt natürlich auch viele Richter, die ihre Arbeit so verstehen, dass es einfach unakzeptabel ist ihr Urteil zu kritisieren.”
Rudolf Egg:
“Wenn jemand völlig unschuldig ist und dann eine schwere Strafe verbüssen muss, dann ist das so ungefähr wie lebendig begraben. Das kann dazu führen, dass jemand depressiv wird und wenn er entlassen wird, nicht mehr in der Lage ist ein vernünftiges Leben zu führen.”
Rechtsanwalt Gerhard Strate:
“Die Justiz will keine Wiederaufnahmen. Selbst wenn ein Wiederaufnahmeantrag bestens begründet ist versuchen die mit der Wiederaufnahme befassten Gerichte immer wieder einen Vorwand zu finden um die Wiederaufnahme wegzudrücken.
Die Justiz verteidigt die Rechtskraft eines einmal entschiedenen Urteils mit Zähnen und mit Klauen.”
Experten wie Thomas Darnstädt verwundern solche eklatanten Fehlurteile nicht. Er hält sie für viel häufiger als es die Justiz wahrhaben möchte und für Systembedingt.
Thomas Darnstädt:
Die Justiz hat was zu verbergen. Richter sind meiner Ansicht nach von dem was sie da machen müssen systematisch überfordert. Die Hauptarbeit ist rauszukriegen, wer hat was getan und das hat man niergendwo gelernt. Kein Richter hat gelernt wie man die Wahrheit herauskriegt, kein Richter hat während seiner Ausbildung etwas über Zeugenvernehmung über Psychologie oder über Soziologie gelernt.
Kritiker fordern deshalb eine praxisgerechtere Aus- und Fortbildung der Richter, denn andernfalls seien Fehlurteilen schon Tür und Tor geöffnet ohne das Richtern dafür im normalfall strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Richter wegen Rechtsbeugung zu belangen ist im Grunde praktisch unmöglich.
Die häufigsten Gründe für Fehlurteile: Erfolgsdruck, schlampige einseitige Ermittlungen, Ignoranz und Überforderung von Richtern, so wie mangelnde Ausbildung und fehlende Selbstkritik.
Wiederaufnahmeverfahren werden auch deshalb mit allen Mitteln verhindert und so wird es auch zukünftig zu Fehlurteilen kommen und in den meisten Fällen dabei bleiben mit fatalen Folgen für die Opfer.
Weitere Beiträge
- Fall Marquardt: Forensiker Mark Benecke fordert Glaubhaftigkeitsgutachten, Justiz geht über…
- 800000 erledigte Strafverfahren in Deutschland und nur 90 Wiederaufnahmen, Keinerlei…
- Keine Wiederaufnahmeverfahren und Unschuldige im Gefängnis, damit der Volksglaube an…
- Richter am BGH: Bis zu 25% aller Strafurteile sind Fehlurteile…