Verwaltungsgerichte vor dem Kollaps – “Wir können nicht mehr gründlich und zeitnah entscheiden”, rbb24, von Lisa Steger
In Brandenburgs Justiz herrscht Personalmangel. Allein an den Verwaltungsgerichten stapeln sich tausende Akten, darunter viele Asylklagen. Die lange Verfahrensdauer führt immer wieder dazu, dass korrekte Bescheide aufgehoben werden müssen.
Ein Besuch beim Potsdamer Verwaltungsrichter Wilfried Kirkes: Bei ihm stapeln sich die Akten einen halben Meter hoch. Gestern sei der Stapel umgefallen, sagt der 57-Jährige. Der Jurist ist zuständig für Asylfragen. Viele der Verfahren ziehen sich, wie er sagt. Manche Menschen, mit denen er tun habe, seien schon fünf Jahre in Deutschland und wüssten nicht, wie es mit ihnen weitergeht. “Sie leben in der Warteschleife”, sagt der 57-Jährige. “Ich stelle es mir belastend vor.”
Von zwölf Kammern im Potsdamer Verwaltungsgericht befassen sich inzwischen elf nur noch mit Asylklagen. Brandenburgweit gilt das für 70 von derzeit 73 Verwaltungsrichtern. Der Grund dafür ist der anhaltende Zuzug von Flüchtlingen seit 2015. Wilfried Kirkes nennt es eine “Lawine”. Er sagt, die Landesregierung hätte das vorhersehen müssen – doch sie habe die Gerichte dafür nicht ausgestattet. “Im Moment befinden wir uns an der Schwelle zu verfassungswidrigen Zuständen”, so Kirkes. “Wir sind nicht mehr in der Lage, zeitnah und gründlich genug zu entscheiden.” …
Kirkes sagt, er ist gern Richter. “Jeder hat das Recht, dass sein Fall individuell geprüft wird.” Doch manche Dinge können auch den sonst so ruhigen und besonnenen Juristen “richtig ärgern”. Dabei geht es die “Asyl-Industrie”, wie Kirkes sie nennt. “Das ist das Schlepperunwesen mit Menschen- und Drogenschmuggel”, so Kirkes. “Es gibt mehr und mehr vernetzte Systeme in der Anwaltschaft, in der Medizin, in der Psychologie und bei Unterstützerkreisen.”
Für die hiesigen Anwälte seien Asylklagen eine sichere Einnahmequelle, da fast alle Asylbewerber staatliche Prozesskostenhilfe erhalten. Auch das trägt nach Kirkes’ Einschätzung zur Klageflut bei.
Und bei Ärzten und Psychologen gibt es nach seiner Beobachtung schwarze Schafe: “Gefälligkeitsatteste und falsche Unterlagen – das gab es immer schon”, sagt der Richter. “Es ist aber ein sehr massenhaftes Phänomen geworden.”
In Frankreich liefen die Asylverfahren dagegen zügiger, sagt Kirkes. Doch dass das auch in Deutschland klappen wird, glaubt es nicht. Der Hang der Deutschen, “alles bis ins Letzte zu erforschen”, lasse so etwas nicht zu.