“Es gibt schwerwiegende Mängel in unserem Rechtsstaat”, Spreezeitung, 03.01.2015
Horst Trieflinger ist Vorsitzender des Vereins gegen Rechtsmißbrauch e.V., der 1989 von Bürgern gegründet wurde, die schlechte Erfahrungen mit der Justiz und/oder Rechtsanwälten gemacht haben. Inzwischen hat der Verein 600 Mitglieder und setzt sich dafür ein, dass Recht und Gerechtigkeit und nötige Reformen in Justiz und Anwaltschaft von der Politik anerkannt und durchgesetzt werden. Wir haben nachgefragt.
Herr Trieflinger, Sie haben den Verein gegen Rechtsmißbrauch e.V. gegründet. Warum ist ein solcher Verein erforderlich?
Anlass für die Gründung des Vereins gegen Rechtsmißbrauch, dessen Initiator ich bin, waren meine schlechten Erfahrungen mit zwei Rechtsanwälten. Da sie für ihre schlechten Dienste, die zu beträchtlichen Schäden für mich geführt haben, haftbar sind, habe ich beide Rechtsanwälte auf Schadensersatz verklagt.
Meine Erfahrung war – obwohl ich in beiden Fällen die falsche, d.h., die mich schädigende Handlungsweise dieser Anwälte bewiesen habe – dass die Justiz sie durch rechtsfehlerhafte Urteile gedeckt hat. Dies führte bei mir zu der Erkenntnis, dass hiergegen etwas getan werden muss. Leider ist festzustellen, dass bei Haftungsklagen gegen Rechtsanwälte die Justiz gar nicht so selten den Rechtsanwalt widergesetzlich bevorzugt.
Wann wurde der Verein gegründet und wie viele Mitglieder gibt es bereits?
Der VGR wurde am 2.10.1989 gegründet und ist am 6.11.1990 beim Amtsgericht Frankfurt am Main in das Vereinsregister unter der Nr. VR 9646 eingetragen worden. Der VGR hat derzeit 600 Mitglieder und führt in Frankfurt, Diez und Düsseldorf in regelmäßigen Abständen Mitgliederversammlungen durch.
…Neben solchen Forderungen Ihres Vereins bieten Sie Mitgliedern auch ganz konkrete Hilfestellungen?
Der VGR gibt seinen Mitgliedern Tipps zur Selbsthilfe, die jedes Mitglied dann umsetzen muss. Die Hauptarbeit liegt daher beim Mitglied. In einigen Fällen ist der Tipp dann eine “Lösung”, wenn es darum geht, dem Mitglied auf die Verjährung eines zivilrechtlichen Anspruches hinzuweisen, die z.B. in den §§ 195, 199 BGB geregelt ist. Z.B. kann ein Tipp sein, wenn es um einen Mietrechtsstreit geht, sich im Standardbuch von F. Sternel “Mietrecht”, neueste Auflage, sich sachkundig zu machen.
In etlichen Fällen hat der Hinweis an Mitglieder, dass der Rechtsanwalt für das erste Beratungsgespräch nicht mehr als € 190,– verlangen kann (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz/RVG § 34 Abs. 1) dazu geführt, dass sie Geld zurückbekommen haben oder aber der Rechtsanwalt eine neue Rechnung mit einem geringeren Betrag erstellt hat. Ein wichtiger Hinweis ist, dass bei außergerichtlicher Tätigkeit des Rechtsanwaltes seine Vergütung verhandelbar ist. Dies bedeutet, dass der Mandant nicht die Vergütung akzeptieren muss, die im RVG vorgeschrieben ist. Man kann deshalb mit dem Rechtsanwalt vereinbaren, dass er für das erste Beratungsgespräch nur € 80,–/€ 100,– erhält.
Zählt so etwas nicht zu einer korrekten Beratungspflicht durch den Anwalt selbst?
Leider nein. Darüber hinaus machen manche Rechtsanwälte ihre Mandanten nicht darauf aufmerksam, dass gegen eine unanfechtbare Entscheidung (Urteil, Beschluss) noch die Gehörsrüge möglich ist. Für das Zivilverfahren ist dies in § 321a ZPO geregelt. Wenn diese Gehörsrüge nicht eingelegt wird, ist der Rechtsweg nicht erschöpft und die Verfassungsbeschwerde, die die Erschöpfung des Rechtsweges verlangt, ist dann aus formalen Gründen von vornherein zwecklos. Ich habe bereits in mehreren Dutzend Fällen Mitglieder auf diese nötige Gehörsrüge hingewiesen. In einem Fall hat ein Gericht nach meinem diesbezüglichen Hinweis an unser Mitglied sein Urteil aufgehoben.
…Öffentlichkeit der Prozesse – das zählt zum grundlegenden Prinzip unseres Rechtssystems und ist ebenfalls ein besonderes Anliegen des Vereins?
Dass die Verhandlungen in der Regel öffentlich sind, hat seinen guten Grund: Die Öffentlichkeit dient auch der Kontrolle dessen, was Richter je im einzelnen Fall tun, d.h., ob sie je die Verfahrensordnung einhalten, dass also der Prozess entsprechend den Vorschriften der Verfahrensordnung geführt wird. Der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Köln Dr. Egon Schneider beklagt, dass an den Gerichten täglich tausendfaches Verfahrensunrecht geschieht. Leider ist einigen Richtern offensichtlich nicht bekannt, dass nicht nur die Journalisten im Verhandlungsraum mitschreiben dürfen, sondern auch die interessierte Öffentlichkeit, also alle anwesenden Personen.
…Beobachten Sie in unserem Justizgefüge eine Zunahme von Einflussnahmen?
Dies kann nur vermutet werden, denn wenn dies geschieht, so erfolgt dies hinter den Kulissen. Die Richter selber setzen sich aber gewollt dem Einfluss aus, wenn sie Nebentätigkeiten ausüben, die zu Interessenkollisionen führen können. Ich meine richterliche Nebentätigkeiten als Treuhänder für Banken und Versicherungen, als Vortragsredner, als Seminarleiter, als Leiter von betrieblichen Einigungsstellen und als Schiedsrichter, die Streitigkeiten zwischen Unternehmen schlichten. Im Jahr 2012 übten in Hessen an den Arbeitsgerichten 48,8 Prozent und am Landesarbeitsgericht sogar 75 Prozent der Berufsrichter eine Nebentätigkeit aus. Vorwiegend handelte es sich um die Leitung von betrieblichen Einigungsstellen. Elf dieser Arbeitsrichter(innen) verdienten in diesem Jahr je zwischen € 25.000,– und € 49.564,– hinzu.
Worin genau liegt Ihre Kritik an solchen Tätigkeiten?
Nebentätigkeiten zweckentfremden richterliche Arbeitskraft, da sie meistens nur in der regulären Arbeitszeit ausgeübt werden können. Sie vertragen sich auch nicht mit der Behauptung der Richter, sie seien mit Arbeit überlastet. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sie vorab mit Nebentätigkeiten überlastet sind. Ein Arbeitsrichter, der von einem Unternehmen für die Leitung einer betrieblichen Einigungsstelle ein kräftiges Zubrot erhält, kann nach menschlicher Erfahrung nicht mehr unparteiisch über Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmern urteilen.
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