Was Medien gern verschweigen: PKH soll offenbar eingeschränkt werden, 29.01.2013
Offenbar hat es die Leitmedien noch nicht erreicht; seit August 2012 arbeitet die Bundesregierung respektive das Justizministerium an einer Überarbeitung der Prozesskostenbeihilfe. Sie laboriert damit an einem Kern des demokratischen Sozialstaats, nämlich an dem Recht, Recht zu bekommen nicht von der Größe der Geldbörse abhängig zu machen. Die bislang vereinzelt gestreuten offiziellen Erklärungen geben wenig Sinn, da die staatlichen Kosten bei der Übernahme von Prozesskosten verschwindend gering sind.
Die derzeitige Situation erinnert fatal an die Kahlschlagpolitik bei der Wegnahme des Widerspruchsverfahrens bei Verwaltungsvorgängen 2008.
Über die Prozesskostenhilfe (PKH) (früher als „Armenrecht“ bezeichnet) kann gem. §§ 114 ff. ZPO einkommensschwachen Personen eine finanzielle Unterstützung zur Durchführung von Gerichtsverfahren gewährt werden. Prozesskostenhilfe kommt in Verfahren vor den Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichten in Betracht, wenn eine Verfahrenspartei nicht in der Lage ist, die Anwalts- und Gerichtskosten für den Prozess aufzubringen. In Strafverfahren kann nur Nebenklägern oder Adhäsionsklägern Prozesskostenhilfe gewährt werden. Die Prozesskostenhilfe trägt der Staat. Sie ist eine spezialgesetzlich geregelte Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege und dient der Umsetzung der Rechtsschutzgleichheit. In bestimmten Verfahren nach dem FamFG wird die Prozesskostenhilfe als Verfahrenskostenhilfe (VKH) bezeichnet.
Seit mindestens 2012 arbeitet die Bundesregierung an einer Änderung der Prozesskosten- und Beratungsbeihilfe, die augenscheinlich nur ein Ziel verfolgt: Kostendämpfung in den Ländern.
So zumindest lesen sich die Ende des Jahres 2012 veröffentlichten Gesetzesentwürfe:
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Gesetzentwurf des Deutschen Bundestages
Verwertbare Informationen zur Entscheidungsfindung der Gesetzesentwürfe seitens der Verantwortlichen, und was im Einzelnen geplant ist, sind – wie in heutiger Zeit üblich – kaum zu finden. Dafür finden Sozialverbände, Rechtsanwälte und Richter deutliche Worte.
So äußert sich Rechtsanwalt Jens Wagner-Douglas vom Anwaltsverein des Landgerichts Mühlhausen:
- Durch die Bundesländer wurde einstimmig ein Antrag auf Erlaß eines Gesetzes zur Beschränkung der Prozeßkostenhilfe eingebracht. Sofern dieses Gesetz in Kraft treten wird, werden dramatische Auswirkungen für den rechtssuchenden Bürger gegeben sein.Künftig soll sodann Prozeßkostenhilfe nur noch derjenige bekommen, der nachweist, dass er nicht in der Lage ist, einen Verbraucherkredit bei einer Bank zu bekommen zur Finanzierung des Verfahrens.
Des weiteren soll – sofern Prozeßkostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt wird – die Begrenzung des Rückzahlungszeitraumes entfallen. Bislang mußten maximal 48 Raten gezahlt werden.
Auch Prozesse vor den Sozialgerichten scheinen von den anstehenden Neuregelungen betroffen zu sein.
So informiert die Kanzlei Jörg Braun:
- Dafür sind die Gerichtskosten derzeit vor dem Sozialgericht noch kostenfrei, aber nach einem bereits seit längerem vom Bundesrat beim Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf soll die grundsätzliche Kostenfreiheit sozialgerichtlicher Verfahren abgeschafft werden. Um der Flut aussichtsloser Gerichtsverfahren entgegenzuwirken, sollen nun von allen Rechtssuchenden sozialverträgliche Gerichtsgebühren in pauschalierter Form erhoben werden. Vorgesehen ist eine allgemeine Verfahrensgebühr von 75 EURO vor den Sozialgerichten, von 150 EURO vor den Landessozialgerichten und von 225 EURO vor dem Bundessozialgericht. Verfahren in Angelegenheiten der Rente, der Schwerbehinderung, des Arbeitsunfalls und der Berufskrankkeit, der Krankenkasse sowie der Sozialhilfe und des Arbeitslosengeldes sind derzeit jedoch weiterhin gerichtskostenfrei.
Nicht jeder, der einen Prozess anstrebt, ist ein “Prozesshansel”, wie es sie sicherlich unzählig gibt. Allerdings hat allein die Reformierung des Arbeitsmarktes auf Grundlage der “berühmt-berüchtigten” Hartz IV Gesetzgebung zu einem sprunghaften Anstieg von Klagen geführt. Für viele Betroffene ist das der einzige Weg, berechtigte Ansprüche durchzusetzen und Willkür Einhalt zu gebieten.
So informiert beispielsweise der DGB-Rechtsreferent Robert Nazarek zum Hintergrund des Gesetzes im Interview:
- Von diesem verschärften Zugang zum Recht – und eine Verschärfung wäre es – ist gar nichts zu halten. Wird beispielsweise Arbeitslosengeld II, das so genannte Hartz IV, trotz Erwerbstätigkeit bezogen, ist bei Problemen mit dem Jobcenter zur Durchsetzung des Existenzminimums fast immer sachkundige Vertretung nötig. Die wäre mit diesem Gesetz erheblich erschwert. Und wie für die Grundsicherung würde das genauso für das Scheidungs-, Familien-, Steuer- und Unterhaltsrecht gelten. Bedürftige Personenkreise hätten es schwerer ihr Recht durchzusetzen. …