Falscher Anwalt mit Dr. Titel arbeitete in Top-Wirtschaftskanzleien, 09.06.2010
09. Juni 2010, 9:00 Sitzungssaal 7, große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt. Auf der Anklagebank sitzt ein 27 –jähriger, 1,65 kleiner, manch möchte fast sagen „Jüngling“, hellblaues Hemd, Manschettenknöpfe und Dackelblick, dem Betrug im besonders schweren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen vorgeworfen wird.
Er hatte es geschafft in gleich 3 renommierten Wirtschaftskanzleien in Frankfurt als Rechtsanwalt eingestellt zu werden und dort insgesamt 2 Jahre und 8 Monate zu arbeiten. Wie die Zeugen (allesamt Partner dieser Kanzleien) später aussagen werden, auch nicht besonders schlecht. Soweit noch nicht spektakulär, jedoch hat er das geschafft ohne jemals Jura studiert zu haben.
Dass heißt, so ist das nicht ganz richtig, er war einmal für 4 Semester an der J.W.G. Universität für Rechtswissenschaften eingeschrieben, war aber nach eigenen Angaben „nie in einer Vorlesung“. Ach ja, und ehe ich es vergesse, auch die Hochschulreife hatte er bei der Immatrikulation nicht. Sondern lediglich einen Realschulabschluss. Abiturzeugnis gefälscht, erstes Staatsexamenszeugnis gefälscht, zweites Staatsexamenszeugnis gefälscht, Rechtsanwaltszulassung gefälscht, Doktortitel gefälscht, Steuerberaterzeugnis gefälscht. Wenn schon dann richtig muss er sich gedacht haben, da er sich im Abitur einen Notendurchschnitt von 1,2, im ersten Examen 11,5 Punkte und im zweiten 12,75 Punkte attestiert hatte. Die Dissertation hat er laut gefälschter Urkunde mit „Magna cum Laude“ bestanden. Ein hochqualifizierter Nachwuchsjurist also um den sich die Kanzleien reißen. Dabei war er gerade erst 24 Jahre alt als er sich mit diesem Bündel an Qualifikationen bei den Kanzleien bewarb. Um keine unangenehme Fragen zu beantworten, wie er das denn alles in so schnell geschafft habe, machte er sich bei seiner Bewerbung einfach 5 Jahre älter.
Er bekam den Job (aus Rücksichtnahme unterlasse ich es hier die Kanzleien namentlich zu nennen) und arbeitete fortan als Rechtsanwalt. Zu meiner Beruhigung muss ich fast sagen (Stichwort: Warum machen wir das Ganze), fielen seine fehlenden juristischen Kenntnisse irgendwann auf. Jedoch dachte man sich nicht allzu viel dabei und kündigte während der Probezeit, verlängerte dann nochmal, aus Rücksichtnahme, da er seine „schlechte Leistung“ mit dem plötzlichen Selbstmord seiner Mutter erklärte. (Anmerkung: Diese lebt munter bis heute).Noch aus seiner ersten Anstellung heraus bewarb er sich neu und bekam sofort einen neuen Arbeitsplatz. So ging das munter weiter und bei seinem dritten Arbeitgeber hatte er sich bis dahin genügend Fachkenntnisse angeeignet, dass der Partner für den er damals arbeitete, heute im Zeugenstand aussagte, „er sei ein sehr guter, auf dem Gebiet des Steuerrechts qualifizierter, engagierter Mitarbeiter gewesen“. Dann kam eine anonyme Anzeige bei der Polizei, die Sache flog auf. Bis dahin hatte er 179.411 Euro verdient (vergleichsweise noch recht wenig für einen solchen „TOP-Juristen“, bescheiden war er also auch noch!). Wie viele sogenannte „billing-hours“ den immer noch unwissenden damaligen Mandanten für seine „qualifizierte“ Arbeit in Rechnung gestellt wurden, dazu wollte der Partner nicht richtig Auskunft gegeben.