Anwalt veruntreut über 500.000 Euro, Oberbayrisches Volksblatt, rosenheim24.de, 03.08.2011
Vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Heinrich Loeber ging am Dienstag eine Juristenkarriere zu Ende. Der angeklagte Anwalt hat über 500.000 Euro veruntreut.
1995 hatte der Angeklagte nach seiner Zulassung durch die Anwaltskammer eine Kanzlei in Rosenheim eröffnet, um sie später zusammen mit drei Kollegen zu einer Bürogemeinschaft auszubauen. Nicht ganz einvernehmlich, so war aus dem Kollegenkreis zu hören, hatte man sich schließlich getrennt. So habe er die Mieten seiner Kollegen zwar eingesammelt, aber nicht ordnungsgemäß abgeführt.
Als dann 2005 die Staatsanwaltschaft erstmals in der Kanzlei ermittelte, war die Trennung zwangsläufig. Die ehemaligen Mitbetreiber der Gemeinschaft zogen aus, gründeten eine neue Zusammenarbeit ohne ihn. Die Kanzlei war nun für seine Zwecke völlig überdimensioniert.
Aber anstatt die Konsequenzen zu ziehen, versuchte der Jurist mit den vierfachen Miet- und Kreditbelastungen zurechtzukommen. Um seine geschäftlichen Defizite auszugleichen, begann er ab 2007, ihm anvertraute Gelder seiner Mandanten einzusetzen. Hoffnungslos wurde es, als er – wieder mit dem Geld der Mandanten – hochspekulative Geschäfte einfädelte. Damit hätte er, erklärte er vor Gericht, die veruntreuten Gelder zurückerstatten wollen. Als diese Geschäfte platzten, war das Geld der Mandanten dahin – und die Chance auf Erstattung illusorisch. Insgesamt sprach die Staatsanwaltschaft von einer Schadenssumme von 500.000 Euro.
Zwar, so erklärte der Rosenheimer vor Gericht, bemühe er sich um Gelder, die er in der Schweiz längerfristig angelegt hätte. Auf Nachfrage des Staatsanwaltes konnte er Art und Umfang dieser angeblichen Anlage jedoch nicht näher beschreiben. Dieser Hinweis auf mögliche Wiedergutmachung erschien umso unglaubhafter, als er bereits im Dezember 2010 den Offenbarungseid geleistet hatte, in dem derartige Vermögensansprüche nicht vermerkt waren.
Besonders verwerflich wertete das Gericht die Tatsache, dass der Jurist eine 92-jährige Frau, zu deren Betreuung er gerichtlich bestellt war, um über 200.000 Euro erleichterte. Zunächst hob er zu Spekulationszwecken von deren Konto 180.000 Euro ab. Als seine finanzielle Situation 2009 richtig prekär wurde, genehmigte er sich vom Konto der Seniorin bis Mai 2010 ein Monatssalär von 2000 bis 3000 Euro.
Die Anwaltskammer hat ihm zwischenzeitlich die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Weil der ehemalige Anwalt umfassend geständig war, konnte das Amtsgericht zumindest auf eine langwierige Zeugeneinvernahme verzichten.
In seinem Plädoyer unterstrich der Staatsanwalt die Schwere dieser Untreuetaten. Ein Rechtsanwalt, so führte er aus, sei eine Säule der Rechtspflege, auf die sich ein Rechtssuchender verlassen können müsse. Wegen der Vielzahl der Fälle, der Schwere der Taten und der Gewerbsmäßigkeit in deren Begehung sei eine Gefängnisstrafe zwingend geboten.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Andreas Michel, führte ins Feld, dass durch die Anwaltskammer bereits ein Quasi-Berufsverbot erlassen worden sei. Damit sei bereits eine schwere Sanktion gegen seinen Mandanten ergangen. Des Weiteren könne der unmöglich Wiedergutmachung leisten, wenn er sich hinter Gittern befände. Er erbat für seinen Mandanten eine Strafe, die eine Wiedergutmachung nicht verhindere.
Das Gericht würdigte das Geständnis als Zeichen der Reue, sprach aber dennoch eine Strafe von drei Jahren Gefängnis aus. Darüber hinaus verhängte das Gericht ein Berufsverbot von drei Jahren, das aber lediglich im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit zum tragen komme.