Anwalt ohne Zulassung tritt vor Gericht auf, Juraforum, 01.06.2021
Es ist noch gar nicht so lange her, dass ein ehemaliger Rechtsanwalt zum ersten Mal wegen Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, weil er als angeblicher Rechtsanwalt am 20.06.2017 ans Amtsgericht Dippoldiswalde einen Schriftsatz geschickt hatte, obwohl er bereits am 09.06.2017 seine freiwillig seine Zulassung zurückgegeben hatte. Kurze Zeit später wurde er zu einer weiteren Strafe verurteilt, da er am 12. Juni 2017 als Anwalt in einer Familiensache ebenfalls eine Frist wahren wollte. Zudem musste er sich wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung von Mandantengeldern verantworten.
Vor dem Landgericht Frankfurt/Main liefen unter den Aktenzeichen 2-03 O 24/20 und 2-03 O 48/20 zwei Prozesse um ähnlich lautende Äußerungen. Hierin hat sich der Kläger als Gegner der Mandanten des ins Schleudern geratenen Ex-Rechtsanwalts gegen den öffentlich geäußerten Vorwurf gewandt, Profilsperrungen auf Facebook veranlasst zu haben. Misstrauisch geworden war der wehrhafte Bezichtigte “durch Beschimpfungen, Verschwörungsparanoia, exzessive Unterstreichungen, Fettungen und schwerer Verständlichkeit geprägter Schriftsätze”. Daraufhin hatte er sich das Rechtsanwaltsverzeichnis der Münchner Anwaltskammer angesehen.
Das gleiche Ergebnis ergab auch eine telefonische Nachfrage beim Anwaltsverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer. Die Rechtsanwaltskammer München bestätigte dies schließlich sogar schriftlich: Für die “hingeschmierten dutzendseitigen Pamphlete, durchsetzt mit verfahrensfremden Aspekten und immer wieder neuen Nebenkriegsschauplätzen, die juristische Fachkenntnisse vollständig vermissen ließen” war ein Hochstapler und kein Rechtsanwalt verantwortlich. Der mit juristischem Spürsinn ausgestattete Kläger beschrieb die Art und Weise, wie die Vorsitzende Richterin am Landgericht Frankfurt den zappelnden Möchtegernanwalt in der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2021 entlarvte, so:
…Die Vorwürfe, die auch in der Tagespresse zu lesen sind, wiegen schwer. Es ist von Titelmissbrauch und Prozessbetrug die Rede. Doch der Volljurist, der ins Kreuzfeuer geraten ist, verteidigt sich auf Facebook. In den Kommentaren erhält er dort wohlwollenden Zuspruch: “Ich habe unter meinem Anwaltsbriefkopf um Terminsverlegung ersucht, der so auch von Amts wegen entsprochen werden musste. Selbst das ist nicht erlaubt, ich habe damit aber niemandem geschadet.“.
Der Ausgang des in seiner Tragweite wohl einmaligen Falles ist noch völlig offen, in weiter Ferne liegt auch ein möglicher Strafprozess gegen den sündigen Anwalt. Allerdings hat sich der Bundesgerichtshof in Zivilsachen bereits mehrfach mit den Folgen des Auftretens eines Anwalts vor Gericht mit nur angeblicher Zulassung befassen müssen. Entscheidend ist hier die Frage, ob der Titelschwindler vor einem Gericht aufgetreten ist, vor dem eine Anwaltszulassung zwingend nötig ist, oder ob nur in einem sog. Parteiprozess, der auch ohne anwaltliche Hilfe hätte durchgeführt werden können die Anwaltszulassung vorgetäuscht wurde.
In einem Anwaltsprozess sind Prozesshandlungen, die der ehemalige Anwalt nach dem Verlust der Zulassung vorgenommen hat, unwirksam. Prozesshandlungen, die der Scheinanwalt in einem Parteiprozess vorgenommen hat, können von der vertretenen Partei nachträglich noch genehmigt werden, weil diese Handlungen auch von einem Nicht-Anwalt hätten vorgenommen werden können. In beiden Fällen bekommt der Hochstapler jedoch nie ein Anwaltshonorar.