COBURG / LICHTENFELS, Aus Rache unschuldig hinter Gittern, Obermain-Tagblatt, 17.06.2013
Eine Internet-Bekanntschaft sollte für eine 42-Jährige eine dauerhafte, glückliche Liebesbeziehung werden, die für ihren Partner, einen 41-jährigen Mann aus dem Raum Hannover, jedoch in einem lange dauernden Alptraum endete. Der Grund: Der Auserwählte musste zehn Monate unschuldig hinter Gitter sitzen.
Im Jahr 2010 lernte der Frührentner via Internet die Mutter aus dem südlichen Landkreis Lichtenfels kennen. Seit Montag muss sich die Frau vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Coburg unter Vorsitz von Richter Gerhard Amend verantworten: Der Grund: Freiheitsberaubung, falsche Verdächtigung, versuchte Nötigung und Betrug.
Die Angeklagte, die jetzt in Norddeutschland auf freiem Fuß lebt, hatte in den vergangenen Jahren im Chat Männer aus dem gesamten Bundesgebiet kennen gelernt. Für einige der Liebschaften hatte dies mehr als nur eine Enttäuschung zur Folge. Denn: Von 2007 bis 2009 hatte die Mutter zwei ihrer Chat-Bekannten mit erfundenen Geschichten finanziell erleichtert.
Unter anderem hatte sie sich bei ihnen Bargeld geliehen und nicht zurück gezahlt. Einmal erzählte sie, dass sie dringend ein Auto bräuchte, welches sie später nicht mehr herausgab. Bereits 2009 hatte sie einem dieser spendierfreudigen Männer, der die Beziehung beendet wollte gedroht, dass sie ihn wegen Vergewaltigung anzeigen werde, wenn sie mit ihr Schluss machen würde.
Mitte 2010 lernte sie schließlich den 41-jährigen Ex-Häftling und jetzigen Nebenkläger kennen, der bei ihr einige Wochen im südlichen Landkreis wohnte. Nachdem dieser die weitgehend unharmonische Beziehung beenden wollte, ließ sie ihre vorher gemachte Drohung zur Realität werden. Sie marschierte zur Polizei und erzählte dort, dass sie von ihrer Internet-Bekanntschaft zwei Mal vergewaltigt, beleidigt, geschlagen und bis zur Besinnungslosigkeit gewürgt wurde. Der Staatsanwalt glaubte ihr und der so Verdächtigte wurde festgenommen und ins Gefängnis gesteckt.
Selbst vor den Richtern der Coburger Kammer hatte die Angeklagte im späteren Prozess felsenfest behauptet, von dem 41-Jährigen missbraucht worden zu sein. Durch einen Zeitungsartikel war der dritte Bedrohte auf das Verfahren aufmerksam geworden und hatte sich zur Polizei begeben. Im Zeugenstuhl entpuppte sich dann alles als Lügengeschichte, der 41-Jährige wurde frei gesprochen.
Die Angeklagte gab im Gerichtssaal gestern durch ihren Verteidiger Albrecht von Imhoff eine Erklärung ab: „Es tut ihr jetzt leid, dass er unschuldig im Gefängnis sitzen musste. Via Internet habe seine Mandantin Kontakt zu Männern gesucht, da sie nicht allein sein konnte. Hinsichtlich des Nebenklägers meinte er: „Sie wollte ihn an sich binden, koste es was es wolle.“ Die Angeklagte jammerte: „Mein Leben liegt wie ein Trümerhaufen hinter mir.“ Jetzt lebe sie wieder mit einem neuen Mann zusammen. „Ich habe jetzt das Gefühl, dass ich angekommen bin.”
„Es war schrecklich im Knast“, erinnerte sich der 41-jährige Geschädigte. Im Gerichtssaal musste er gegenüber der Angeklagten sitzen, zeigte keine Gefühlsregungen und vermied den Blickkontakt. Er erzählte: Schluss gemacht habe er damals mit der Angeklagten unter anderem, da diese während der gemeinsamen Zeit auch noch mit anderen Männern via Chat flirtete. „Ich war das fünfte Rad am Wagen.“ Während einer Beziehungspause habe sie ihn telefonisch terrorisiert und schlecht gemacht. Die Frage des Richters, ob er ihr sie misshandelt habe, beantwortete er: „Es gab nur Wortgefechte, aber nie Gewalttaten.“
Zwei weitere Ex-Partner erklärten, dass die Angeklagte bei der Beendigung der Beziehung hysterisch reagiert, sie terrorisiert und ihnen mit Anzeigeerstattung gedroht habe.
Die Plädoyers und das Urteil sollen am Donnerstag, den 4. Juli gesprochen werden.